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Goldener Sonntag

Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Ferne klang.
    Dann bin ich also nicht taub. Blatt drehte leicht den Kopf und sah, dass sie auf Daisys Rücken lag, sicher gehalten von einem Tentakel nahe dem eigenartigen Blütenkopf des Biestwurz. Ein Blütenblatt neigte sich zu ihr herunter, als wolle es ihre Verfassung überprüfen.
    Und ich schätze, Daisy wird mich auch nicht töten.
    Blatt drehte den Kopf auf die andere Seite. Auf eine unsinnige Weise überraschte es sie, Susi und Doktor Scamandros zu sehen, die neben einem lodernden Feuer standen, das von Pulttrümmern genährt wurde, und ihren Blick erwiderten. Ungefähr dreißig Pfeiferkinder saßen um das Feuer und rösteten Marshmallows, ein Prozess, der sie in ständiger Bewegung hielt, denn der Rauch änderte dauernd die Richtung und wehte waagrecht auf verschiedene Seiten des Turms zu.
    Hinter dem Feuer standen eine Menge Bürgersoldaten. Während Blatt zusah, wie immer weitere von ihnen aus zahlreichen Aufzügen herausmarschierten, drangen allmählich immer mehr Laute an ihre Ohren. Sie konnte ihre Trommeln und Querpfeifen, Dudelsäcke und Rababs und auch die gebrüllten Befehle der Unteroffiziere hören.
    Diese Hintergrundgeräusche wurden von etwas anderem überlagert, das näher war. Blatt schaute Susi an und sah, wie sich ihr Mund bewegte. Ein paar Sekunden später fügte sie diese Bewegungen mit den Tönen zusammen, die sie hörte.
    »Blatt! Sag deinem Haustier, es soll Doktor Scamandros an dich ranlassen, damit er dich wiederherstellen kann! Du bist verwundet.«
    Erzähl mir mal was Neues!, dachte Blatt.
    »Blatt!«
    Susi hörte auf zu rufen und sagte etwas zu Doktor Scamandros, der mit einem Achselzucken reagierte. Blatt starrte die beiden eine Zeit lang an, bevor sie endlich begriff, dass sie selbst etwas tun musste.
    »Äh, Daisy«, setzte sie an. Dann hielt sie inne, als ihr wieder einfiel, dass sie die Leine nicht mehr hielt: Daisy war nicht mehr unter ihrer Kontrolle.
    Zwei Blütenblätter beugten sich zu ihr hinab und schenkten ihr Beachtung.
    »Äh, Daisy, wenn es dir nichts ausmacht«, krächzte Blatt, »könntest du mich absetzen und Doktor Scamandros zu mir lassen, damit er mir helfen kann? Ich bin verletzt.«
    Die Blätter zitterten und gerieten in wellenförmige Bewegung, doch wusste Blatt nicht, was das zu bedeuten hatte.
    »Bitte!«, sagte sie erschöpft und schloss die Augen.
    Einen Moment später schlug sie die Lider wieder auf und unterdrückte einen Aufschrei, als Daisy sie hochhob und zehn Meter weiter sanft auf dem Boden ablegte; die drei Tentakel des Biestwurz blieben fürsorglich in ihrer Nähe schweben. Doktor Scamandros eilte zu ihr und kniete an ihrer Seite nieder.
    »Du meine Güte, du meine Güte!«, sagte er. Die Tätowierungen auf seinem Gesicht zeigten ein am Boden kriechendes Kaninchen, das hochgehoben und in einen Topf gesteckt wurde, auf den dann der Deckel geknallt wurde. Der Zauberer wühlte besorgt in seinen Taschen, während er sprach. »Lord Arthur wird außerordentlich aufgebracht sein –«
    »Ich werde nicht … sterben … oder?«, fragte Blatt.
    Doktor Scamandros antwortete ihr nicht; er war damit beschäftigt, Blatt mit einem langen weißen Federkiel etwas auf die Stirn zu schreiben. Es kitzelte, und Blatt fragte sich, warum sie nicht lachen konnte. Es betäubte auch den Schmerz, was natürlich willkommen war, auch wenn sie sich gleichzeitig ganz schläfrig zu fühlen begann.
    »Wir haben sie zurückgeschlagen?«, fragte Blatt. »Die Armee ist angekommen?«
    »Ja, ja, alles ist gut«, beruhigte Doktor Scamandros sie, während er mit einem Skalpell ihre Kleidung aufschnitt. Sie bemerkte beiläufig, dass es nicht der blaue Rock des Leutnant Hüters, sondern ihr alter Strahlenschutzanzug war, der merkwürdig ausgebleicht und zerlumpt aussah. Das brachte sie darauf, einen Blick auf ihre rechte Hand zu werfen, und wenngleich ihre Finger gekrümmt waren, als ob sie noch immer ein Heft umklammerten, lag das Schwert des Leutnant Hüters nicht mehr in ihrer Hand.
    »Mein Schwert!«, flüsterte sie. Die Welt um sie herum verschwamm, und die Geräusche schienen erneut aus weiter Ferne zu ihr zu dringen, ausgenommen der tiefe Ton einer einzelnen Basstrommel, die unerklärlicherweise immer lauter wurde, auch wenn ihr Schlagen sehr langsam war und mit jeder Sekunde langsamer wurde.
    Doktor Scamandros gab keine Antwort. Er war mit einer großen roten Tomatensuppendose und einem kleinen Silbertrichter beschäftigt, den er ohne sichtbare Stütze auf Blatts Brust

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