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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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Sichtfeld der Beschränkten begnügen, oder entscheidest du dich diesmal, meinem Rat zu folgen und diese unsägliche Burka abzulegen?“
    „Äääh …“
    „Schön, dass du mit mir einer Meinung bist.“ Die Alte holte ein glänzendes Bündel unter ihrem Umhang hervor und warf es auf Kiana. Diese versuchte, es aufzufangen, doch im selben Augenblick spürte sie auf ihrem ganzen Körper ein Zerren und Ziehen und Seide, und schon hatte sie das edle Gewand an, das Fatima letztes Mal für sie erstanden hatte. Sogar die Schuhe. Der fast durchsichtige Schal lag um ihren Kopf, ließ die Haare jedoch liederlich entblößt den Rücken hinabhängen. Die alte Kleidung verschwand zusammengeknüllt zwischen den Falten von Fatimas Umhang. Zügig betrat die alte Frau die Hauptgasse des Bunten Basars.
    In der neuen Aufmachung kam sich Kiana verabscheuungswürdig nackt vor. Und zugleich verboten frei. Das Bedürfnis, das Sonnendach des Gewürzstands herunterzureißen und über ihren Körper zu werfen, kämpfte mit der ruchlosen Freude, die Sonne auf ihrer Haut zu spüren und den Wind in ihrem Haar.
    Es war sowieso a lles nur ein Traum.
    Keine der Frauen s tarrte sie missbilligend an. Warum auch? Die waren ja genauso schamlos enthüllt. Auch die Männer verhielten sich nicht so, wie Tante Shabnam immer prophezeit hatte. Weit davon entfernt, sich angesichts eines unverschleierten Mädchens als hirnlose Triebtäter zu entlarven, hielten die Männer ungerührt den aus Kaufen und Verkaufen bestehenden Lebensstrom des Basars aufrecht, ohne auf Kiana zu achten. Nur der Eselführer, dessen Lasttier eine neue Kiste mit Glasflaschen trug, bekam bei Kianas Anblick große Augen und beeilte sich, seinen Esel rasch in die nächste Seitengasse zu zerren. Einen Atemzug später war er außer Sichtweite.
    Fatima hockte bereits auf ihrer Flugunterlage , deutete auf den Pfeilteppich und band ein weißes Tuch um ihren Kopf. „Dieses Mal können wir unsere Zeit nicht mit einem Bummel im Basar vertrödeln. Wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns. Binde deinen Schal fest um den Kopf, damit er nicht wegweht! Er wird dich vor der Sonne schützen. Dann sitz auf, Mädchen!“
    Der Schal - das war das hauchzarte, unschicklich dü nne, gelbe Gewebe, das locker auf Kianas Haar saß wie ein neckischer Schmuck. Sie band sich das Ding unter dem Kinn fest und bemerkte, dass es tatsächlich - und sicher irgendwie magisch - vor der Sonnenglut schützte. In der Hoffnung, von hier wegzukommen, bevor sich außer dem Eselführer noch andere Leute an sie erinnerten, setzte sich Kiana auf den Teppich. „Wohin fliegen wir, Mütterchen?“
    „Zum Schimmernden Palast.“
    Plötzlich ertönte ein durchdringendes Geräusch von oben herab. Es klang wie das Krächzen eines Vogels, doch Kiana hätte schwören können, dass sie die Worte „Vernahm ich da nicht ein verbotenes Reiseziel?“ darin hörte.
    Ein Luftzug traf ihr Gesicht, das flappende Geräusch großer Flügel folgte, dann fiel ein weißer Vogel förmlich aus dem Himmel und landete neben Fatima auf dem Teppich. Ein langer, fast nackter Hals, ein gedrungener, mächtiger Vogelkörper, ein Schnabel wie ein Fleischerhaken - es musste ein Geier sein.
    Ein großer Geier.
    Ein großer, weißer Geier, der womöglich sprechen konnte.
    Das Tier neigte den Kopf, so dass der Hals fast eine Schlaufe bildete, und ließ wieder seine heisere Stimme verlauten. Einerseits nur Vogelgeschrei, andererseits aber klang es irgendwie auch wie die Worte: „Friede sei mit dir, Fatima, Ehrenwerteste unter den Grenzgängern! Wen willst du uns denn bringen, und das gar unerlaubt? Hast du etwa vergessen die Weisungen der Herrscherin? Verschlossen ist der Palast für Fremde nicht ohne Grund.“
    Der Kopf der Alten neigte sich huldvoll. „Friede sei mit dir, mein Freund! Nach wie vor respektiere ich Sorayas Gesetze. Doch dieses Mädchen ist keine Fremde. Es ist Kiana, die Schicksalswenderin.“
    „Kiana, die Schicksalswenderin?“ Die Vogelaugen, die Kiana nun unverfroren beäugten, saßen in einem knochigen Schädel, der nur am Hinterkopf einen spärlichen Flaum trug. Einen Flaum, der so weich erschien, dass Kianas Fingerspitzen am liebsten darüber gestrichen wären, hätte sie nicht die Befürchtung gehegt, der kräftige Schnabel würde ihr dabei die Hand abhacken.
    „Ganz recht , sie wendet das drohende Schicksal“, bestätigte Fatima.
    Der Vogel drehte seinen Kopf hin zur alten Frau. „Ein bemerkenswerter Gast fürwahr. Ist sie nicht

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