Goldfalke (German Edition)
hervorkramte. Kiana ließ den Blick über die Ebene schweifen, doch kein Dschinn war mehr zu sehen. Sie schienen alle im Gierigen Töpfchen zu stecken.
Nesrin brachte ihren Mund ganz nahe an den Topf und rief: „Vielen Dank, dass Sie unser exklusives Last-Minute-Angebot von Nesrin Fun Tours gewählt haben! Genießen Sie die Reise und unser anschließendes Animationsprogramm!“ Sie klemmte sich den Topf unter den linken Arm und hob die rechte Hand. „Gib mir fünf, Baby!“
Und Kiana schlug ihre Handfläche gegen Nesrins , bevor die beiden zurück in den Schatten der Grotte stolperten, dort zu Boden sanken und sich mit dem Rücken gegen die Felswand lehnten.
Bei Einbruch der Nacht erreichten sie die Ruine der Karawanserei. Obgleich die Wüste ihr Möglichstes getan hatte, diesen Schandfleck abzudecken, wirkten die verkohlten Gemäuer noch immer wie die schaurigen Ankläger unaussprechlicher Gräueltaten. Die Leichen waren längst zugeweht, bis auf eine einsame Skorpionschere, die aus dem Sand ragte.
Die beiden Taschenlampen, die Kiana im Provian tkorb gefunden hatte, spendeten den Trost von ein bisschen Licht, als die Mädchen die Treppe zu den unterirdischen Quellen hinabstiegen. Ständig schauten sie sich um, während sie ihre Gesichter in das frische Wasser tauchten und ihre leer getrunkenen Flaschen füllten. Baski miaute und schmierte sich eng um die Beine ihrer Herrin.
„Puh, ist das gruselig hier!“, wisperte Nesrin. Selbst auf ihrem hübschen Gesicht sahen die Schatten, die das Taschenlampenlicht nicht verhindern konnte, unheilvoll aus. „Es war ja schon ziemlich schräg, hier zu übernachten, als die Palastkrieger und Amir bei uns waren, aber jetzt …“ Sie beendete ihren Satz nicht.
„Geht mir auch so“, raunte Kiana. „ Trotzdem müssten wir hier sicher sein, denn Damon und seine Armee sind ja zum Palast unterwegs.“
„Warum flüstern wir dann?“
„Weiß ich auch nicht.“
Sie kauerten sich in die Ecke, in der sie letztes Mal übernachtet hatten. Sand knirschte zw ischen ihren Zähnen, als sie sich Fladenbrot, Käse und Kichererbsenbällchen teilten.
Ihre Umhänge waren hauchdünn, aber sie schützten nicht nur vor der Wüstensonne, sondern auf eine sonderbare und sicher magische Weise auch vor der Nachtkälte. Es war für Kiana jedes Mal schleierhaft, wie das glutheiße Tagesgesicht der Wüste bei Nacht so schnell in Frost erstarren konnte.
Es dauerte einige Zeit, bis die Müdigkeit über die Furcht vor den Schatten siegte. Der Schlaf in diesen Gemäuern war anstrengend. Kiana träumte von Greifscheren und Stacheln und war jedes Mal erleichtert, wenn sie von der sich hin und her wälzenden Nesrin aus dem Schlaf gerissen und so vom Gift der Skorpione fortgeholt wurde. Wenn auch nur vorläufig.
Irgendwann richtete sich Nesrin auf. „Ob es oben wohl schon Morgen ist?“
Kiana ließ ihre trägen Augen zum Treppenaufgang hin blinzeln, sah aber nicht den leisesten Lichtschein. Sie war viel zu müde für den Morgen. „Nein, ich denke nicht.“
„Scheiße!“
Nachdem sie noch eine Weile gedöst hatten, standen sie dann doch auf. Noch vor dem Ausgeruhtsein. Weil sie es hier unten nicht länger aushielten. Sie stiegen hoch in die zaghafte Dämmerung und erleichterten sich irgendwo zwischen den Trümmern. Zur Sicherheit schickte Kiana den Falken hinaus und benutzte seine Augen, um die Umgebung auszuspähen. Aber nichts regte sich weit und breit.
Ächzend streckte sich Nesrin. „Oh Mann , hey! Mir tun sämtliche Knochen weh. Wir hätten vielleicht doch lieber oben im Sand schlafen sollen als auf dem harten Kellerboden mit nichts als einem dünnen Teppich als Bett.“
Kiana verkniff sich die Bemerkung, dass sie im Haus von Onkel Abdullah nicht viel anders übernachtete, nur dass die Schlafunterlage dort viel dünner und fadenscheiniger war als die hochwertigen, dick gewebten Flugteppiche, die ihr und Nesrin heute Nacht als Lager gedient hatten.
Nach einem eiligen Frühstück flogen sie los in die Richtung, in der die Versunkene Stadt lag. Die Kühle des Fahrtwinds weckte nach und nach Kianas Sinne. Bei der ersten Rast am Fuße einer Sanddüne hatten sich ihre Gedanken weit genug erfrischt, um wieder Bedenken hervorzubringen: „Nesrin, was ist, wenn sich die Ifrit und Afrit doch lieber uns statt Damons Armee vornehmen wollen?“
Abwehrend hob Nesrin ihre Wasserflasche. „Nein, nein, nein, bitte keine solchen Fragen, wo wir kurz vor Qalakar sind und ich mehr Zweifel an der
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