Goldfalke (German Edition)
sagte Kiana, „was wir den geflügelten Dschinns versprochen haben. Nämlich, dass wir sie dorthin bringen, wo sie noch mehr von dem Spaß erleben, den sie auf unserer gemeinsamen Reise genossen haben. Dass ein paar von euch nicht mitkommen wollen, respektieren wir natürlich. Also tretet bitte zurück, damit ihr nicht aus Versehen in die königliche Dschinn-Kutsche geratet!“ Sie begann, beidhändig zu winken. „Kommt näher, geflügelte Dschinns, damit das Fußvolk euch nicht eure rechtmäßigen Plätze streitig macht!“
Tatsächlich flatterten die Flugmonster näher und zogen enge Kreise über den Köpfen der Umstehenden. Kiana zwang sich, nicht vor ihnen zurückzuschrecken.
„Welche Art von Spaß wäre das denn?“, hakte die H yäne nach.
„ Riesenskorpione jagen“, antwortete Kiana.
„Träge Ghule vor Angst zum Rennen bringen“, steuerte Nesrin bei.
Kiana wieder: „ Graugewandete von ihren Teppichen stoßen.“
Und Nesrin: „ Und so weiter.“
„Ja, das könnte eine willkommene Abwech slung sein“, erwog die Hyäne. „Aber wehe euch, wenn diese Zerstreuung, die ihr uns versprecht, nicht unserem Geschmack entspricht!“
„Den Geflügelten unter euch hat es gefallen .“ Nesrin hob den Zaubertopf hoch und setzte den Deckel darauf. „Also tretet alle näher, die sich diesen Mega-Spaß nicht entgehen lassen wollen, damit unsere goldene VIP-Gondel keinen von euch zurücklassen muss!“ Sie ließ Baski verschwinden, und schon rückten die Ifrit und Afrit an.
Etwas rempelte Kiana von hinten an, und etwas anderes kroch an ihrem linken Unterschenkel hoch. Angewidert hob sie das Bein und schüttelte es, doch sie wurde diesen Dschinn nicht los. War das überhaupt ein Dschinn? Es sah aus wie eine schwarze Wolke, die das Bein umhüllte und etwas aus Kiana heraussaugte. Etwas Wichtiges. Kiana konnte nur nicht benennen, was. Und das steigerte ihre Panik noch.
Nesrin drängte Kiana gegen die nächste Mauer und stellte ihren rosa Teppich schräg wie eine Zeltplane davor. „Runter, Ki!“
Mut, es war Mut, den die schwarze Wolke aus Kiana saugte, das merkte sie jetzt , da das Verschwinden des Mutes nichts als Angst zurückließ. Lähmende Angst.
Nesrin zerrte Kiana ganz unter den Teppich, schob den Zaubertopf nach draußen, hob den Deckel ab und presste diesen an sich.
Eine Weile lang konnte Kiana nichts spüren als den gewaltigen Sog des Gierigen Töpfchens und die ungeheure Erleichterung, als die schwarze Wolke von ihrem Bein wegwehte. Mit all ihren Händen mussten die Mädchen den Teppich festhalten, bis ihnen die Finger schmerzten. Dann streckte Nesrin den Deckel nach draußen, haute ihn auf den Topf und schnitt damit das Getöse ab.
„Sind sie jetzt alle drin?“, fragte Kiana.
„Keine Ahnung.“ Beherzt schlug Nesrin den rosa Teppich zurück, stand auf und hob den Topf auf.
Die plötzliche Stille dröhnte hohl in Kianas Ohren. Dort, wo sich vorhin noch unzählige Ifrit und Afrit gedrängelt hatten, herrschte jetzt die Leere, die der Wüstensand einst dieser Stadt aufgezwungen hatte. Das Einzige, was sich bewegte, war eine türkisfarbene Wandfliese, die sich vom Stumpf eines Turmrestes löste und herab in den Sand fiel.
Eilig zerrte Nesrin den goldglänzenden Seidenschal aus ihrem Ausschnitt und verschnürte den Topf damit. „Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin dafür, so schnell wie möglich abzuhauen.“
Dafür war Kiana auch. Sie stieg auf ihren Teppich und kehrte der Versunkenen Stadt den Rücken.
Für immer, so hoffte sie.
Obgleich die Strahlen der sinke nden Sonne mehr und mehr von der Wüste an die langen Schatten des Abends verloren, sengten sie sich noch immer gnadenlos über den Sand, bis sie sich in der Ferne am Glanz des Schimmernden Palastes brachen.
Nesrin drosselte das Flugtempo. „Endlich wieder richtiges Essen! Und, oh, ich liebe Avas Rosenwasser! Du weißt schon, mit einem Hauch Honig und einem Spritzer Zitrone! Davon könnte ich jetzt einen ganzen Krug auf ex austrinken. Und erst Avas …“, sie unterbrach sich, reckte sich in die Höhe und beschattete ihre Augen mit der Hand. „Hey, was ist das denn?“
Kiana strengte sich ebenfalls an, um das erkennen zu können, was die Aufmerksamkeit ihrer Freundin erregt hatte. Und ja, da vorn war etwas, auf halber Strecke zwischen ihnen und dem Palast. Eine Art Dunkelheit, die über den Sand kroch.
„ Oh Scheiße, Ki, was ist das?“
Kiana ließ den Falken frei und legte ihre Finger haltsuchend um den
Weitere Kostenlose Bücher