Goldfalke (German Edition)
Untertanen erlauben würde, Elinas Tochter oder deren Begleitung etwas anzutun. Wenn ihr jedoch Damon zu nahe kommt, verhält es sich anders.“
Avas Dschinn schenkte ihm ungefragt Kaffee nach. Der Großwesir zog den frischen Kaffeeduft in die Nase, bevor er sich wieder an Nesrin wandte: „Du, meine Tochter, bist immer bereit, Geheimnisse aufzuspüren und furchtlos deren Schätze zu bergen, koste es, was es wolle. Dein Dschinn ist ein Findender. Der beste, den wir haben. Zu finden, was anderen verborgen bleibt, ist deine größte Stärke. Häufig jedoch ist die größte Stärke eines Menschen gleichzeitig auch seine größte Schwäche. Denn deine Neugier ist so auf das Finden ausgerichtet, dass du den Gefahren am Wegesrand nicht genügend Beachtung schenkst.“
Eine Gruppe von Palastkriegern näherte sich in ihrer sandfarbenen Tarnkleidung. Als Sayed die Hand hob, blieben sie am Rand der Terrasse stehen. Der Großwesir nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Und du, Kiana, bist stets darauf bedacht, alle an dich gestellten Aufgaben zu meistern, ohne Rücksicht auf dich oder sonst irgendetwas. Vermutlich liegt das daran, dass du - leider zu Recht - glaubtest, dir durch ständige Leistung einen Platz in der Familie deiner Tante verdienen zu müssen. Dieses Verhalten wurde zu deiner größten Stärke. Du bringst jedes Vorhaben zum Abschluss. Nesrin ist eine, die findet. Das Auge des Schützen. Du, Kiana, bist eine, die das gefundene Ziel trifft. Der Pfeil des Schützen. So gesehen ergänzt ihr euch sehr gut. Deine größte Stärke wird jedoch wie bei Nesrin zur größten Schwäche. Wie sie neigst du dazu, nur auf die Aufgabe zu achten und zu wenig auf deine Sicherheit.“
Damit verstummte er, als wäre das Wichtigste gesagt. Dabei warf alles, was er angeführt hatte, unzählige Fragen auf. Sayed jedoch leerte mit kleinen Schlucken bedächtig seine Tasse. Gerade als Nesrin unruhig wurde, redete er weiter: „Ava und ich sind uns darin einig, dass ihr beide jemanden braucht, der eure gemeinsame Schwäche ausgleicht. Der eure Kühnheit drosselt. Der Gefahren erkennt und euch davor schützt, blindwütig hinein zu rennen. Der dieses Koste es, was es wolle, das euch vorantreibt, umwandelt in ein Koste es nur das, was ihr zu zahlen imstande seid.“
„Also eine Spaßbremse, die uns nur behindert.“ Ne srin verzog das Gesicht.
Der Großwesir schmunzelte, wurde jedoch gleich wieder ernst. „Am liebsten würde ich euch die ganze Palastgarde mitschicken, doch je mehr Leute ihr seid, desto mehr fallt ihr auf und desto schwieriger wird es, rasche Entscheidungen zu treffen. Und ihr werdet rasche Entscheidungen treffen müssen.“
Er stellte seine Tasse ab und legte jedem der Mädchen eine Hand auf eine Schulter. „Ich würde liebend gern mit euch gehen, meine Töchter, doch der oder die Dritte in eurem Bund muss unbedingt jemand sein, den Damon nicht kennt. Jemand, der also noch nicht geboren oder zumindest noch ein Kleinkind war, als Damon den Palast verließ. Jemand in eurem Alter. Drei Jugendliche, die einen Ausflug machen, werden von Damons Spähern sicher nicht als Bedrohung wahrgenommen. Nesrin, du hast den ganzen heutigen Tag Zeit, Kiana alle Jugendlichen des Palastes vorzustellen. Heute Abend wird sie als die Geweissagte die Entscheidung treffen, wer euch begleiten wird.“
Als er sich erhob, wurde die Bürde seines Alters und seiner Verantwortung deutlich. Umständlich streckte er sich und sah hinüber zu dem Geier auf der Säule. „Willst du dich nicht langsam auf den Weg machen, Miro? Der Weg zum Gebirge der Simurgh ist lang.“
Der Geier würgte den Rest seines Fleischklumpens herunter. „Man wird ja wohl noch g epflegt frühstücken dürfen vor einer derart entscheidenden Aufgabe wie der meinen! Außerdem dachte ich daran, mir vorher von Avas Dschinn das Gefieder frisieren zu lassen. Ich will schließlich gut aussehen, wenn ich in diplomatischer Mission unterwegs bin. Was meinst du, Nesrin? Du hast ja immer ein so hervorragendes Verständnis für ein vorteilhaftes Äußeres. Soll ich mein Kopfgefieder toupieren lassen oder lieber zurückkämmen? Was schmeichelt mir mehr?“ Seine Flügelspitzen strichen über den spärlichen Flaum auf seinem Schädel.
„Miro, bitte!“ , sprach der Großwesir. „Die Lage ist ernst. Du musst dich sputen!“
„Ja, ja, schon gut!“, krächzte der Geier. „Was würdet ihr nur tun, wenn ihr nicht auf meine unübertroffenen Flugkünste
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