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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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konnte es nicht leugnen. Wann immer sie ernsthaft in Schwierigkeiten war, konnte sie sich auf Amirs Hilfe blind verlassen. Als Onkel Abdullah ihr befohlen hatte, Schaffellbündel in der Scheune aufzustapeln, die zu schwer für sie waren, hatte Amir ungebeten mit angepackt. Oder als ihr beim Hofkehren der Besen zerbrochen war, hatte Amir schnell aus einem Ast einen neuen Stil gefertigt und so Kiana vor der sicheren Strafe bewahrt. Und, ja, bei dem Brand war er ohne zu zögern in die lodernde Küche gerannt, um Kiana zu retten.
    „ Moment mal!“, äußerte Nesrin. „Heißt das, dass ich jetzt noch einen zweiten Anfänger aus der Trüben Welt an der Backe habe? Nichts gegen dich, Ki, aber einem von euch hier alles beizubringen, reicht mir eigentlich.“
    „ Und sieh nur, wie schnell Kiana gelernt hat!“ Ava faltete ihre Hände im Schoß. „Das wirst du schon bewältigen, Nesrin.“
    B edächtig verlagerte Sayed sein Gewicht. „Fertigkeiten und Wissen kann man sich aneignen. Allein auf die Gesinnung eines Menschen kommt es an.“
    „Erzähle uns von Amir, Kiana!“, ordnete die Herrscherin an.
    Unbehaglich massierte Kiana ihren Oberarm. „Ich bin mit ihm aufgewachsen, sozusagen. Er lebt mit seinem Vater in der Lehmhütte nebenan. Sein Vater heißt Sami Hasan und ist meist unterwegs, um als Tagelöhner auf einer Baustelle oder am Viehmarkt zu arbeiten. Oft sucht er vergeblich nach Arbeit und bringt sich und Amir kaum über die Runden. Daher hilft Amir in der Fleischerei meines Onkels, wann immer es dort Arbeit für ihn gibt, und sucht am Fluss nach Treibgut, um es als Brennholz zu verkaufen.“
    „Was ist mit seiner Mutter?“, wollte Ava wi ssen.
    „Sie starb , als er noch klein war. Seitdem war er oft bei uns, und solange er arbeitete, duldete ihn Tante Shabnam im Haus. Als ich zwölf wurde, fand sie es nicht mehr schicklich. Seitdem darf er nur noch ins Haus, wenn mein Cousin Mustafa oder Onkel Abdullah dabei ist.“
    Nesrin deutete in den Rauch, in dem sich Amirs Gesicht langsam verzog. „Sieht er wir klich so gut aus wie hier?“
    Auf diese Weise hatte Kiana ihn noch nie betrachtet, diesen immer hungrigen Nachbarsjungen, vor dem sie den Zucker verstecken musste, und der ihr, wenn sie nicht aufpasste, Spinnen auf den Kopf setzte. „Er ist …“, sie überlegte, „… etwa einen Kopf größer als ich und ziemlich kräftig. Man sieht ihm an, dass er schwer arbeiten muss. Aber was hat das mit unserer Aufgabe zu tun?“
    Nesrin zuckte die Schultern. „ Nur so.“
    „ Deine Worte, Kiana“, meinte der Großwesir, „klingen für mich nach einem mutigen Knaben, der gelernt hat, unter schwierigen Bedingungen zu überleben, und der zupacken kann, wenn es sein muss. Es scheint, als hättest du gut gewählt, meine Tochter. Was kannst du noch über Amir sagen?“
    „ Mehr gibt es nicht.“ Doch da alle sie erwartungsvoll ansahen, kramte Kiana angestrengt in ihren Erinnerungen. „Er verehrt meinen Cousin wie den großen Bruder, den er nie hatte. Als Mustafa zu den heiligen Kriegern gegangen ist, um sich dort ausbilden zu lassen, wollte Amir mit. Doch sein Vater hat es ihm verboten. Ich glaube, Amir hat ihm das bis heute nicht verziehen.“
    „Wenn er kämpfen will“, warf Kassim ein, „ist er bei uns an der richt igen Stelle.“
    „Nachdem d ie Frage nach dem dritten Gefährten geklärt ist, kann ich mich nun endlich zur Ruhe begeben.“ Fatima erhob sich ächzend. „Schließlich bin ich eine alte Frau, und meine Kräfte sind begrenzt. Morgen früh holen wir dieses Jüngelchen ab. Alle guten Mächte mögen uns beistehen!“
    Als Fatima unter den Gute-Nacht-Grüßen der anderen den Raum durchquerte, fegte ihr mantelartiges Gewand durch die Rauchschwaden. Amirs Bild verschwand nun gänzlich, doch irgendetwas, so kam es Kiana vor, blieb von ihm hier.
     
    „Das halte ich nicht aus! Da krieg ich keine Luft.“ Fast panikartig zerrte sich Nesrin Kianas Burka vom Kopf, die sie sich versuchsweise angezogen hatte.
    Kritisch b eäugte Fatima die zartrosa Pumphose, die Nesrin anhatte, und das gleichfarbige, eng anliegende, perlenbestickte Oberteil. „Ich dachte, du wolltest unbedingt diesen Teil der Trüben Welt kennen lernen, Töchterchen. Auf keinen Fall gestatte ich, dass du da drüben unnötige Aufmerksamkeit auf dich und Kiana ziehst. Mit blauem Stoff und etwas Zaubergarn können wir dir hier im Basar in Windeseile eine Burka nähen lassen, so sehr ich die Dinger auch verachte. Aber für euer Vorhaben sind

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