Goldfalke (German Edition)
wirken. Bäume und Sträucher, die sich im Luftzug bewegten, warfen tänzelnde Schatten auf die Hinterseite des Palastes. Was Kiana an die bösen Dschinns erinnerte, die in der Versunkenen Stadt auf sie warteten. „Ich hoffe nur, dass uns das weiterhilft, was die Stehenden Weisen uns gesagt haben.“
„Ich weiß schon gar nicht mehr, was die alles gesagt haben, so sehr raucht mir der Kopf.“ Nesrin öffnete eine Tür, die Kiana bisher nicht bemerkt hatte, und gemeinsam gelangten sie in eine Arkade. Flackernde Kerzen ließen ihr Licht auf Statuen, Säulen und Topfpalmen tanzen.
Nesrin öffnete eine weitere Tür, die zur Küche führte. „Mann, ich habe so großen Koh ldampf, dass ich ein ganzes Kamel verdrücken könnte.“
„Daher hat es euch durch die Hintertür hier herein getrieben?“ Ava kam ihnen entgegen. „Ihr seid spät dran, meine Töchter. Geht gleich mit mir hoch in den Besprechungsraum der Herrscherin! Ich lasse euer Abendmahl dorthin bringen.“ Sie machte eine Handbewegung, woraufhin ihr Dschinn aus dem Nichts auftauchte. Eine weitere Handbewegung, und der Dschinn begann, mit Geschirr zu hantieren.
„Kommt, Mädchen!“ Avas bunter Kaftan flatterte, als sie energischen Schrittes in den Speisesaal trat. Dort waren noch einige Leute beim Essen. Andere hatten offenbar ihr Mahl schon beendet und saßen einfach gesellig beisammen. Zwei Männer und eine Frau rauchten Wasserpfeife.
Kiana lief hinter Ava und Nesrin her, grüßte nach allen Seiten und wurde gegrüßt. Wie ein Familienmitglied. Die Erkenntnis, dass sie sich hier nach zwei Tagen bereits mehr zuhause fühlte, als sie das im Haus ihres Onkels je getan hatte, erfüllte sie mit Staunen. Plötzlich fiel ihr siedendheiß ein: „Oh Nesrin, wir wissen noch immer nicht, wen wir als unseren dritten Gefährten wollen!“
„Dann sollte st du dich schnell entscheiden“, bemerkte Ava über ihre Schulter hinweg. „Denn genau das will Fatima in wenigen Augenblicken von euch erfahren.“ Sie stieg vor den Mädchen die Haupttreppe hoch.
„Wir nehmen einfach Sebnissa “, fand Nesrin. „Sie ist immer recht entspannt, widerspricht nicht und wird uns keinen Ärger machen.“
Doch für Kiana war die Tatsache, dass jemand uns keinen Ärger machen würde, nicht unb edingt etwas, das diesen Menschen als besonders geeignet für den Kampf gegen Damon erscheinen ließ. „Ich finde, wir sollten einen dieser Zwillinge mit ihren Kampf-Dschinns nehmen. Oder am besten beide. Wie heißen sie gleich noch?“
„ Oh nein, Ki! Nicht Maimune und Murat! Die sind so rechthaberisch, dass sie uns den letzten Nerv rauben würden.“
Ava hob mahnend den Finger. „Die Entscheidung liegt bei der Geweissagten, Nesrin. Nicht bei dir.“
Dann also die Zwillinge, entschied Kiana.
Die beiden Wachen vor der Tür zu Sorayas Besprechung sraum nickten Ava respektvoll zu und öffneten die Tür. „Danke, mein Söhne!“, sagte sie zu ihnen und trat ein. Die beiden Mädchen folgten und grüßten, wie es sich gehörte, die anwesenden Würdenträger. Es waren die gleichen wie letztes Mal, nur dass sich jetzt auch der Großwesir unter ihnen befand. Die Königin saß aufrecht in einem thronartigen Sessel und wirkte etwas munterer als sonst. Oder lag das an ihrem mit Goldfäden bestickten roten Gewand, das etwas Machtvolles ausstrahlte?
Prinz Farid war nirgends zu sehen. Nicht, dass sich Kiana nach ihm umgesehen hätte.
Ava setzte sich auf ein dickes, mit blauem Samt bezogenes Sitzpolster zwischen Fatima und Sayed und winkte ihren Dschinn herbei, der soeben den Raum betrat. „Nehmt Platz, meine Töchter, und stärkt euch!“
Nesrin und Kiana ließen sich auf die nächstbesten Kissen nieder und bekamen von Avas Dschinn Käse, Brot, Pflaumen, Pistazien und Früchtetee serviert.
„Haben euch die Stehenden Weisen aufgehalten?“, fragte die Herrscherin. „Konnten sie euch weiterhelfen?“
Daraufhin berichtete Nesrin alles, was die Stehenden Weisen über Sahmarans rätselhafte Worte gesagt hatten.
„Das ist ein bemerkenswerter Ansatz“, sagte Sayed schließlich. „Wir haben uns all die Jahre viel zu sehr auf die Suche nach Elinas leiblichem Körper beschränkt, ohne auf den Gedanken zu kommen, anhand von beispielsweise Damons jugendlichem Aussehen auf ihr Wirken zu schließen.“
„ Um Damons Vitalität zu beurteilen, müsste man ihn jedoch erst zu Gesicht bekommen,“ entgegnete Ava.
„Vielleicht bietet jene Schriftrolle in der Versunkenen Stadt tatsächlich
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