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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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ihrer Hand schickte Fatima den Teppich zurück auf den Stapel. „Beeil dich mit dem Aussuchen, Söhnchen! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
    „Ich soll einen Zauberteppich bekommen?“, fragte Amir.
    „Ein absoluter Schnelldenker!“, spottete Ne srin.
    „ Mach dir wegen der Bezahlung keine Sorgen, junger Herr“, meinte Nadschib. „Fatima, die Klügste aller Lebenserfahrenen, und ich sind uns schon handelseinig geworden.“
    Zuerst fingerte Amir am nächststehenden Stapel herum. Dann wandte er sich an Fatima: „Warum bin ich hier? Was ist das für ein Ort? Fliegende Teppiche kenne ich nur aus Märchen. Was ist hier echt und was nicht? Oder träume ich?“
    Abwehrend hob die alte Frau eine Hand. „Eins nach dem anderen, Söhnchen! Du wirst heute noch alle Antworten erhalten. Aber zuerst such dir einen Teppich aus! Hier ist alles echt, einschließlich der gesalzenen Preise, das kann ich dir versichern.“
    Man konnte erkennen, dass Amir noch vieles auf der Zu nge lag, doch er behielt es für sich und ging zu den Teppichen, die zur Dekoration an der Innenseite der Zeltplane befestigt waren. Er warf einen unsicheren Blick auf Kiana, die ihm wie ein Schatten folgte und ihn nach wie vor als Sichtschutz gegen Nadschib benutzte. Der jedoch beachtete sie nicht, sondern ermunterte Amir mit einladenden Gesten, alles zu befühlen und zu betrachten.
    Amir s Hand strich über ein gewebtes Kunstwerk mit Pferdeornamenten in Blautönen und Schwarz. Sofort kam Bewegung in den Teppich. Er wellte sich unter Amirs Fingern wie ein Fluss bei Sturm, löste sich dabei von der Wand und fiel auf Amirs Kopf. Erschreckt schleuderte Amir das Kunstwerk von sich, doch es kehrte zurück und hielt eine Handbreit vor Amirs Bauch an.
    „Einen Teppich hätten wir jetzt wenigstens“, meinte die Seherin. „Nesrin, zeig uns doch mal, was du an Garderobe für unseren jungen Freund ausgesucht hast!“
    „Gern.“ Nesrin breitete etliche Kleidungsstücke auf Amirs schwebendem Teppich aus. Einen Turban aus schimmernder lila Seide, mit Gold- und Silberfäden durchwirkt und mit Juwelen besetzt, hielt sie an Amirs Stirn, eine farblich passende Weste vor seine Brust. „Das sieht doch gut aus, oder?“
    Fatima rieb sich die Schläfe. „Für die Krönungszeremonie eines Königs der Gaukler scheint das vielleicht angemessen, doch nicht für das, was ihr vorhabt. Nadschib, mein Freund, bitte gehe zu deiner Schwester und bringe etwas Zweckmäßigeres! Die jungen Leute wollen Reisen unternehmen. Vielleicht zur Klingenden Oase, vielleicht ins Gebirge, was weiß ich, wo es sie eben hinzieht. Die Kleidung muss derartige Belastungen aushalten und wüstentauglich sein.“
    „Gewiss, Erleuchtete! Es ist mir wie immer eine Freude, dir zu Diensten zu sein.“ Nadschib verneigte sich und ging rückwärts nach draußen.
     
    „Er stellt sich gar nicht so blöd an.“ Nesrin griff in das Stoffsäckchen mit der Trockenfrüchte-Mischung, das Kiana in der Hand hielt. Nadschib hatte es gerade für Fatima bringen lassen, doch die hatte es achtlos an Kiana weitergereicht. Nun saßen die beiden Mädchen auf dem oberen Balken eines Schafgatters und beobachteten, wie Fatima Amir das Fliegen mit dem Teppich beibrachte.
    Amir stellte sich tatsächlich recht geschickt an mit dem Teppich, das musste Kiana zugeben. Viel geschickter als sie selbst. Natürlich freute sie sich darüber. Erstens Amir zuliebe, damit er Vertrauen in diese Welt und ihre Eigenarten fasste. Zweitens würden sie sich dadurch schneller als gedacht auf die Suche nach Kianas Mutter machen können. Und drittens … war es einfach unfair!
    Seit Tagen mühte sie sich unter größten Gefahren mit dem verfluchten Teppich ab, und Amir übte eine knappe Stunde lang und beherrschte das Ding, als hätte er seit Jahren nichts anderes geflogen als Kurven und Rollen und Haken und anderes halsbrecherisches Zeug. Sogar der Schafhändler des Basars, ein wortkarger Mann mit schiefen Zähnen und fransigem Bart, ehrte Amirs Bemühungen mit einem anerkennenden Grunzen.
    „Und er sieh t echt gut aus in den neuen Klamotten“, seufzte Nesrin.
    Auch das musste Kiana zugeben. Was da auf dem schwarz-blauen Teppich saß, war nicht mehr der schlaksige Nachbarsjunge in den g eflickten Lumpen, sondern ein junger Mann in einer sauberen, nagelneuen, beigefarbenen Hose und einem dunkelblauen Hemd, zusammengehalten von einem Ledergürtel. Das lose Ende seines rosinenfarbenen Turbans lag locker um seinen Hals. Wie Nadschibs Schwester

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