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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Sie, hat sich der Verkehrsunfall ereignet?« Die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung klang seltsam schrill.
    »Am 24. März. Spätabends.« An diesem Tag hatte Erwin Bertelt gesehen, wie die Polin in den Horch gestiegen war.
    »Das ist mehr als einen Monat her. Warum meldet sich die Polizei erst jetzt?«
    »Die in den Unfall verwickelten Fahrer hatten sich eigentlich darauf verständigt, die Angelegenheit gütlich zu regeln. Aber einer, wir vermuten, Herr Trasse, hat sich bisher nicht gemeldet. Nun hat der andere Beteiligte doch Anzeige erstattet und wir müssen der Angelegenheit nachgehen.«
    »Und Herr Trasse soll einen der Wagen gefahren haben?«
    »So die Aussage des Unfallgegners. Die beiden Fahrer haben Ihre Adressen ausgetauscht.«
    »Das muss ein Missverständnis sein. Herr Trasse fährt grundsätzlich nicht selbst. Er hat einen Chauffeur«, erklärte die Frau.
    »Könnte dieser womöglich den Wagen benutzt haben?«
    »Vielleicht. Ich werde ihn fragen und mich dann wieder mit Ihnen in Verbindung setzen. Ihr Name ist noch mal …?«
    »Sicher können Sie verstehen, dass wir unsere Ermittlungen selbst führen möchten. Deshalb: Der Chauffeur heißt wie?«
    »Aber …«
    »Ich kann Herrn Trasse selbstverständlich auch vorladen lassen. Aber vielleicht liegt es ja im Interesse Ihres Chefs, wenn wir die Angelegenheit ohne ein solches Aufsehen regeln?«
    »Ja. Sie haben recht«, meinte die Sekretärin nach kurzem Zögern. »Gisbert Malick. Er wohnt in Recklinghausen. Seine Adresse liegt mir nicht vor. Ich müsste in der Personalverwaltung nachfragen, aber er hat Telefon, damit er jederzeit für den Chef erreichbar ist.«
    »Das reicht mir. Seine Rufnummer bitte.«
    Die Frau diktierte Golsten die Nummer, der sich bedankte und auflegte.
    Gisbert Malick aus Recklinghausen. Es dürfte nicht viel Mühe bereiten, die Anschrift zu ermitteln.
    Eine Stunde später erfuhr Golsten, dass dieser Malick für die Kriminalpolizei kein Unbekannter war. Gegen ihn war vor etwas mehr als einem Jahr wegen des Verdachtes auf Verstoß gegen Paragraf 175 des Strafgesetzbuches ermittelt worden. Er habe ›begehrliche Blicke auf einen anderen Mann geworfen‹. Malick war mehrmals verhört worden, aber es war nicht zu einer Anklage gekommen. Allerdings enthielt die Akte einen Vermerk, nachdem Malick weiter ›unter Beobachtung‹ stand. Golsten wusste, was das bedeutete. Ein nur kleiner Fehltritt noch und Malick landete ohne Gerichtsverfahren in einem KZ. Da in Recklinghausen nur ein Gisbert Malick gemeldet war, erschien Golsten die Möglichkeit einer Verwechslung ausgeschlossen. Dieser Malick war sein Mann.
    Golsten sah auf seine Uhr. Es war kurz nach sechs. Zeit, Feierabend zu machen. Malick musste bis Montag warten, denn für morgen hatte sich Golsten freigenommen. Er wollte sich in aller Ruhe mit Lisbeth aussprechen.

48
    Montag, 26. April 1943
    B ereits um kurz vor sieben stand Golsten vor dem Haus im Recklinghäuser Stadtteil Hochlarmark. Es regnete in Strömen. Das Wasser tropfte von Golstens Hutkrempe auf seinen Regenmantel. Golsten beobachtete das Haus, in dem Malick wohnte, wartete; verloren in seinen Gedanken, gelang es ihm nicht, sich auf das Kommende zu konzentrieren.
    Das Gespräch mit Lisbeth war nicht ganz so verlaufen, wie er es sich erhofft hatte. Zwar war es ihm gelungen, ihr in aller Ruhe und ohne Vorwürfe zu erläutern, warum er Rosen aus ihrem Haus hatte haben wollen und weshalb er immer noch der Meinung war, dass es im Interesse der Familie besser gewesen wäre, ihn der Gestapo zu übergeben. Allerdings wollte Lisbeth seinen Argumenten nicht folgen, im Gegenteil. Für sie war es ein Akt der Unmenschlichkeit, einen Menschen an seine Mörder auszuliefern, auch wenn dadurch ihre eigene Sicherheit weniger gefährdet wurde. Wenigstens hatten sie sich nicht mehr angeschrien. Angesichts ihrer heftigen Auseinandersetzungen an den Tagen zuvor war das schon als ein Erfolg zu werten.
    Golsten kämpfte gegen die Unruhe an, die ihn befallen hatte, seitdem er Rosen des Hauses verwiesen hatte, und überquerte die Straße.
    Wie in vielen älteren Häusern schloss auch im Wohnhaus von Malick die Haustür nicht richtig. Es kostete kaum Mühe, sie aus dem ausgeleierten Schloss zu drücken. Im Flur roch es muffig. Die Briefkästen waren verbeult, an manchen Stellen blätterte der Putz von den Wänden.
    Malick hatte seine Bleibe in der dritten Etage. Golsten stieg die Treppe hinauf und drehte dann die mechanische Türklingel

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