Goldfasan
doch nicht …«, stammelte der Chauffeur.
Golsten lachte auf. »Was ich alles kann … Anziehen!«, bellte er dann. »Beide!«
Der Junge sah seinen Freund flehend an. »Bitte!«, flüsterte er.
Malick schluckte. »Und Sie lassen uns dann in Ruhe?«
»Das hängt von Ihrer Aussagebereitschaft ab«, erwiderte Golsten kühl.
»Gisbert, bitte«, jammerte der Jüngling mit weinerlicher Stimme.
»Herr Trasse hat Michael und mich …«
»Michael?«
»Michael Linner. Ein Kollege von mir. Er arbeitet im Kaufhauslager.«
»Weiter.«
»Am 24. März habe ich wie immer den Chef gefahren. Abends fuhren wir zu seinem Schwiegersohn.«
»Und?«
»Wir hatten den Auftrag, diese Polin abzuholen. Der Chef blieb im Wagen sitzen, Linner und ich sind zum Haus gegangen. Frau Munder hat geöffnet und die Polin gerufen. Wir haben sie zum Wagen eskortiert und sind wieder los.«
Charlotte Munder hatte in der Vermisstenanzeige angegeben, dass die Polin bereits am 23. März verschwunden sei.
»Die Polin ist freiwillig mitgekommen?«
»Mehr oder weniger. Ich hatte den Eindruck, sie stand unter Schock.«
»Wieso?«
»Sie wirkte irgendwie apathisch.«
»Wie ging es weiter?«
»Der Chef hat mich zum Kaufhaus fahren lassen. Dort hat er uns befohlen, auszusteigen, und ist dann mit der Polin allein weitergefahren.«
»Trasse ist selbst gefahren?«
»Wir haben uns auch gewundert.«
»Was ist dann passiert?«
»Keine Ahnung. Wir haben uns im Lager des Kaufhauses schlafen gelegt. Schließlich fuhr keine Straßenbahn mehr. Es gab keinen Weg, nach Hause zu kommen.«
Golsten dachte einen Moment nach. »Haben Sie in der Zeitung nicht gelesen, dass diese Polin vermisst wurde?«
Malick schwieg betreten.
»Sie haben es gelesen«, stellte Golsten fest. »Warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?«
»Trasse ist mein Chef«, versuchte der Mann eine Erklärung. »Außerdem …«
»Was außerdem?«
»Es war doch nur eine Polin.«
Golsten musste sich zusammenreißen, um den Mann nicht ins Gesicht zu schlagen. »Sie sagten eben, dass schon ein Kollege von mir Ihnen diese Fragen gestellt hat.«
»Nicht so. Er wollte alles über die Kisten wissen.«
»Wie sah er aus?«
»SS-Uniform. Obersturmführer. Schlank, arisch.«
Ein Obersturmführer. Vielleicht von Schmeding? »Hat er seinen Namen genannt?«
»Nein.«
Der Hauptkommissar wandte sich zum Gehen. »Schicken Sie Quex zurück zu seinen Eltern«, bemerkte er. »Dieses Gespräch bleibt unter uns. Kein Wort kommt über Ihre Lippen. Zu niemandem. Auch nicht zu einem Kollegen von mir.« Er zeigte auf den Jungen. »Sie möchten doch sicher, dass Ihr kleines Geheimnis eines bleibt, nicht wahr?«
49
Montag, 26. April 1943
E ine Woche nach seiner Ermordung wurde Walter Munder auf dem Wiescherfriedhof in Herne beigesetzt. Nazibonzen aus dem ganzen Ruhrgebiet waren angereist, selbst der Stabschef der SA gab sich die Ehre. Dutzende Standarten- und Fahnenträger aller Gliederungen der NSDAP standen neben und hinter dem Grab, SA und SS stellten die Ehrenwache. Eine Polizeikapelle intonierte Trauermärsche und der Kreisleiter der NSDAP in Herne, Karl Nieper, hielt die Gedenkrede, die gespickt war mit Begriffen wie Heimtücke, Feigheit, Führer und Deutschland.
Nachdem es eben noch wie aus Eimern geregnet hatte, schien nun die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Charlotte Munder stand am Grab und nahm, gestützt von ihrem Vater, die Beileidsbekundungen der Trauergäste entgegen.
Selbstverständlich waren auch die Spitzen des Bochumer Reichssicherheitshauptamts anwesend. Wilfried Saborski gehörte zu den Ersten, die der Witwe Munders die Hand schüttelten.
»Mein herzliches Beileid«, sagte er schmallippig. »Welch ein Verlust für Sie. Und für Herne. Ihr Gatte hatte eine große Zukunft vor sich. Aber ich versichere Ihnen: Der hinterhältige Mord an Ihrem Mann wird nicht ungesühnt bleiben.« Er senkte die Stimme. »Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich mich noch nicht so äußern, wie es mir eigentlich bei dieser Gelegenheit ein Herzensanliegen wäre. Aber es wird nicht mehr lange dauern, dann steht der feige Attentäter vor dem Volksgerichtshof.«
Charlotte Munder schien kaum zugehört zu haben. Sie nickte und reichte ihre Hand dem nächsten Trauergast.
Saborski entfernte sich von dem Grab. Der Einladung zum anschließenden Kaffeetrinken würde er keine Folge leisten. Sein Auftritt am Grab eben war genug Schauspiel gewesen. Zügig ging er den breiten Weg hinunter Richtung
Weitere Kostenlose Bücher