Goldfieber
sagen. Außerdem bist du erheblich weniger knochig und vor allem ein ganzes Stück kürzer als dieses eben erwähnte dürre Miststück. »Noch nicht, nein. Ich kann es selbst kaum glauben, aber anscheinend findet mich nicht jede Frau so attraktiv wie du.«
»Ach ja? Jetzt bin ich also die Schwache? Soll ich dir zeigen, wie gut ich dir widerstehen kann?«
»Nicht so laut, ja? Du weckst den Papagei auf!«
»Willst du mir jetzt etwa auch noch den Mund verbieten?«
Ich wusste genau, wie ich sie zum Schweigen hätte bringen können. Aber das funktioniert nicht sehr lange. Das tut es nie, und das liegt vor allem daran, dass es Tinnie einfach gefällt, wenn und wie ich sie zum Schweigen bringe.
Zwei höchst unerfreuliche Dinge geschahen gleichzeitig. Der Gottverdammte Papagei stimmte eine Art Seemannslied über Schwerter und Silber und Tote Männer an, während mir jemand einen spitzen Fingernagel in die Seite bohrte, der vermutlich extra für diesen Zweck geschärft worden war. Der Schmerz auf meinen Rippen legte nahe, dass dieser rüpelhafte Zeigefinger offenbar bereits häufiger zugestoßen hatte. Ein Flüstern untermalte den Schmerz. »Garrett! Jemand ist hier in unserem Zimmer!« Es war kein wirklich leises Flüstern. Die Frau besaß keinerlei Schamgefühl.
»Du bist gemein«, stöhnte ich. »Lass mich schlafen.«
Der Vogel schrie, als würde er endlich seinen gerechten Lohn bekommen. »Garrett!«, fauchte Tinnie. »Da ist jemand im Zimmer, verdammt!« Dieser Ankündigung folgte augenblicklich ein heftiges Krachen, als jemand über ein hinterlistiges Möbelstück stolperte.
Der Gottverdammte Papagei schrie Zeter, Mordio und Vergewaltigung. Tinnie schrie »Feuer!«, vermutlich weil sie annahm, dass sie damit eher Aufmerksamkeit erregen würde. Ich schrie: »Haltet die Klappe!«
Als ich aus dem Bett kletterte und nach etwas tastete, das sich dazu eignen könnte, es einem unerwünschten Besucher über den Schädel zu schlagen, knallte es an immer mehr Möbeln in immer größerer Nähe zur Tür. Dann öffnete sich besagte Tür. Einen Augenblick erkannte ich einen geduckten Schatten vor der geisterhaft blassen Helligkeit des Flurs. Bevor sich die Tür wieder schloss, hatte ich noch die Chance, in diesem Licht um zwei Möbelstücke herumzumanövrieren, die mich ansonsten angesprungen hätten. Sie schienen nicht mehr da zu stehen, wo ich sie erinnerte. Ein drittes Stück war geduldiger als die beiden anderen. Es wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, bevor es in Position ging.
Obwohl ich beide Arme ausgestreckt hatte, genügte der Aufprall mit dem Kopf voran gegen eine Wand, dass ich aufstöhnte und doppelt sah. Letzteres allerdings erst, nachdem ich die Tür geöffnet hatte und mich vorsichtig hinauslehnte.
Mein nächtlicher Besucher eilte sehr rasch von dannen. Er wurde schwach von einer Laterne erhellt, die an ihrer linken Hand baumelte. Ihrer? Die Gestalt wirkte in dem Dämmerlicht wie Tama, hatte aber auch gewisse Ähnlichkeiten mit dem Hirtenjungen Tollie, wenn er auch etwas verschwommen schien. Vielleicht lag das an dem Schlag auf meine Rübe. Möglicherweise hatte die Süße nur vorgehabt, mir ihre ganz spezielle Gastfreundschaft angedeihen zu lassen, und war in Panik geraten, als sie beim Heranschleichen Tinnies Stimme gehört hatte. Vielleicht. So was soll's ja geben.
Ich konnte mir jedenfalls keinen Grund vorstellen, warum sich der Jüngling in mein Zimmer schleichen sollte. Es sei denn, er hätte sich in der Tür geirrt und erwartete Tama im Bett liegend.
Wer auch immer es gewesen sein mochte, eins hätte ich gern gewusst: Was hatte dieser Möchtegern-Besucher wohl mit diesem Beil oder Hackmesser vorgehabt, das er in seiner anderen Hand gehalten hatte?
»Wer war das?«, flüsterte Tinnie.
»Weiß ich nicht.«
»Ich wette, dass ich es erraten kann.«
»Zweifellos kannst du das. Du kommst sicher auf die langweiligste Möglichkeit. Und gibst mir dann daran die Schuld.«
»Hey, da ist ja auch dein Platz, Liebster. Auf der Schuldseite. Glaubst du, dass wir die Tür verbarrikadieren sollten? Nur für alle Fälle?«
»Ja, ich glaube, wir sollten die Tür verbarrikadieren. Nur für alle Fälle. Aber du solltest hoffen, dass sie nicht auch das Bett in deinem Zimmer überprüfen.«
»Ich schlafwandle.«
Richtig. Wir verrückten einige Möbel. Dann gingen wir wieder ins Bett. Dort wurde ich, irgendwie, abgelenkt und schlief schließlich ein, bevor ich auch nur die Chance bekam, herauszufinden,
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