Goldfieber
verstricken.«
Cortés sah mich durchbohrend an. »Aber wie könnte er sich dessen jemals sicher sein?«, fuhr er fort. »Quetzalcoatl kann als Mensch genauso gut wie als Gott in Erscheinung treten. Also bleibt Montezuma gar nichts anderes übrig, als halbtot vor Angst in seinem Palast auszuharren und sich einmal für den Kampf gegen mich, dann wieder für demütige Unterwerfung zu entscheiden – und jeden dieser Entschlüsse sofort wieder umzuwerfen und in sein Gegenteil zu verkehren! Und je länger er in seinem Thronsaal auf mich warten und in seinen Ängsten schmoren muss, desto zermürbter wird er sein, wenn ich endlich vor ihm stehe.«
So sprach Cortés zu mir oder eigentlich mehr zu sich selbst, während wir auf das Land der Tlaxcalteken zumarschierten. Weiter hinten in unserer Kolonne lief Carlita neben Marina und die ganze Zeit über spürte ich ihren Blick auf mir. Aber ich schaffte es kein einziges Mal, mich zu ihr umzudrehen – aus Zerknirschung und weil ich Cortés keinen Anlass geben wollte, erneut an meiner Treue zu zweifeln.
»Frage sie weiter aus!«, befahl mir unser Herr schließlich. »Die Kleine weiß noch mehr, das spüre ich!«
Ich murmelte, dass ich alles so ausführen würde, wie er es wünschte. Und dann machte unser Weg eine scharfe Biegung um einen hoch aufragenden Felsen herum, und plötzlich standen wir vor etwas so Eigenartigem, in dieser Einöde so gänzlich Unerwartetem, dass ich für Augenblicke alles andere vergaß. Cortés, meine Versprechen und Treuebrüche und sogar Carlita und die albtraumhaften Schrecknisse, von denen sie mir erzählt hatte.
Vor uns ragte eine Mauer auf, rund zehn Fuß hoch. Sie zog sich meilenweit durch die felsige Ebene und endete links wie rechts an einem schroffen Felshang. Nur ein schmaler Durchgang war in dem Wall ausgespart, eben breit genug, dass sich ein einzelner Mann hindurchzwängen und sein Pferd hinter sich herziehen konnte.
»Dahinter fängt das Land der Tlaxcalteken an«, verkündete Mamexi. »Das sagt zumindest er.« Der Totonaken-Häuptling deutete zu dem Indianer, der an seiner Seite marschierte und den der Herrscher Olintecle uns widerwillig als Führer mitgegeben hatte. »Und er sagt«, fügte Mamexi hinzu, »wer da hindurchgeht, wird Camaxtli geopfert, dem Kriegsgott der Tlaxcalteken!«
- 6 -
Warum befahl uns Cortés trotzdem, durch die Mauerpforte zu gehen? Gerade eben hatte er mir noch auseinandergesetzt, dass und warum uns Tenochtitlan kampflos in die Hände fallenwürde. Also hätten wir doch das Land der Tlaxcalteken umgehen und geradewegs ins Herz des Aztekenreichs marschieren können. Doch ganz sicher schien sich unser Herr in diesem Punkt nicht zu sein – und als Verbündete kam für uns außer den Tlaxcalteken niemand infrage. Sie sind das einzige Indianervolk, das sich der aztekischen Oberherrschaft beharrlich und erfolgreich widersetzt.
Allerdings gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass sie uns freundlich empfangen würden – ganz im Gegenteil. Unsere Boten waren nicht zurückgekehrt. Olintecle hatte uns eindringlich vor seinen rauen Nachbarn im Südwesten gewarnt: Die Tlaxcalteken seien mit jedermann verfeindet und trauten niemandem über den Weg als ihren eigenen Waffen, Kriegern und Göttern.
Der Späher, den uns Olintecle mitgegeben hatte, weigerte sich, uns auch nur einen Schritt weit hinter die Grenzmauer zu begleiten. Die Tlaxcalteken seien Nachkommen der Hundemenschen aus dem Norden, erklärte er, wild und barbarisch, berühmt für ihre Tapferkeit und berüchtigt für ihre Grausamkeit. »Eure Boten, Herr, sind bestimmt längst geopfert, ihre Gliedmaßen auf der Camaxtli-Pyramide in Tlaxcala verspeist worden. Wenn Ihr nicht genauso enden wollt, dann haltet Euch von dort fern!« Damit warf er sich herum und rannte zurück nach Zautla.
Hätten wir nur auf ihn gehört! Doch Cortés wies uns an, einer nach dem anderen durch die schmale Bresche in der Mauer zu marschieren. Auch unsere drei Kanonen und alle fünfzehn Pferde gelangten unbehelligt durch das Nadelöhr hindurch. Kein einziger Grenzwächter versuchte uns aufzuhalten – doch das bedeutete nicht, dass wir willkommen waren.
Zwei Tage und ebenso viele erbitterte Schlachten später saßen wir bei eisigen Temperaturen auf einem Berggipfel mitten im Land der Tlaxcalteken fest – umzingelt von mindestens fünfzigtausend feindlichen Kriegern!
Die Stimmung in unserem Lager war gedrückt. Viele unserer Männer waren verwundet. Einer von ihnen war so schwer
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