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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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das, was du mir eben erzählt hast!«, sagte ich zu ihr. »Und erwähne vor allem nicht, dass du aus einer mächtigen Adelsfamilie aus Tenochtitlan stammst – oder gar, dass du Hohepriesterin werden solltest! Versprichst du mir das, Carlita?«
    Sie schaute mich erstaunt und irgendwie geistesabwesend an. »Wozu soll das noch wichtig sein?«, fragte sie zurück. »Berichte deinem Herrn alles, was ich dir eben anvertraut habe – dann muss er erkennen, dass er auf gar keinen Fall nach Tenochtitlan gehen darf! Alles andere spielt dann doch keine Rolle mehr!«
    Ich war mir da keineswegs so sicher, aber das konnte ich ihr erst recht nicht sagen. So hauchte ich ihr nur einen Kuss auf die Wange und eilte in meine und Diegos Kammer im Erdgeschoss. Bald schon würde mich Cortés zu sich rufen, und vorher musste ich meine Gedanken ordnen und mir darüber klar werden, was ich ihm berichten konnte und was ich unbedingt verschweigen musste. Um Carlita zu schützen und um sicherzustellen, dass wir trotz allem weitermarschieren würden – nach Tenochtitlan, ins goldene Herz des Aztekenreichs.
- 5 -
    Am nächsten Tag verließen wir Zautla mit dem ersten Tageslicht. Die vier Totonaken, die Cortés nach Tlaxcala geschickt hatte, waren noch nicht wieder aufgetaucht, doch unser Herr hatte beschlossen, nicht auf ihre Rückkehr zu warten. Olintecle beschwor ihn, Tlaxcala zu umgehen und über das befreundete Cholollan nach Tenochtitlan zu reisen, da die Tlaxcalteken geschworene Feinde der Azteken seien.
    Aber Cortés gab nur düster zurück, das werde er unterwegsentscheiden. Offenbar hatte die Opferung der fünfzig jungen Sklaven sogar ihm ziemlich zugesetzt, auch wenn er sich in seiner üblichen Art nichts anmerken ließ. Jedenfalls konnte ihm unser Aufbruch aus Zautla gar nicht schnell genug gehen.
    Als unser Herr mich kurz vor der Mittagsstunde zu sich heranwinkte, war er noch immer ungewöhnlich bleich und unter seinen Augen lagen schwarze Schatten. »Ich habe über das nachgedacht, was du mir gestern Abend berichtet hast«, sagte er zu mir. »Es hilft mir, Montezuma und seine Denkungsart noch besser zu verstehen. Aber im Gegensatz zu dem, was deine Carlita anzunehmen scheint, bestärkt mich das alles nur noch mehr in meinem Plan: Wir müssen und werden nach Tenochtitlan gehen! Montezuma mag die teuflischsten Zauberkünste beherrschen und seine Streitmacht mag eine Million oder sogar drei Millionen Mann stark sein – weit stärker ist aber die Angst in seinem Herzen! Das habe ich durch deinen Bericht erst richtig begriffen. Diese Angst in seinem Herzen ist stärker als jeder Teufelszauber und jedes Heer – und wenn ich mich mit ihr gegen ihn verbünde, dann fällt mir sein Reich kampflos zu.«
    Ich starrte in die gurgelnden Fluten des Gebirgsstroms hinab, an dem wir seit Stunden entlangmarschierten. Ich war wieder einmal von Reue erfüllt, weil mein Bericht das Gegenteil dessen zu bewirken schien, was Carlita sich davon erhofft hatte – und weil ich selbst das im Voraus geahnt und es insgeheim sogar darauf angelegt hatte. Aber zugleich war ich von Stolz und Dankbarkeit erfüllt, weil Cortés so offen und vertrauensvoll mit mir sprach. Es war das erste Mal, seit wir in Potonchan in jenem Bücherturm beisammengesessen hatten, und ich spürte, dass er begonnen hatte, mir zu verzeihen. Auch wenn er gewiss nicht vergessen hatte, dass ich Carlita liebte und meine Treue deshalb entzweigespalten blieb.
    »Was glaubt Ihr, Herr«, fragte ich, »wovor ängstigt sich Montezuma? Davor, dass Ihr der wiedergekehrte Götze Quetzalcoatlsein könntet – und unsere Muttergottes in Wahrheit jene Liebesgöttin Xochiquetal, wie Carlita meint?«
    »Ich glaube, dass es noch viel ärger um ihn steht – um ihn und seine Ratgeber.« Das stille Lächeln kräuselte Cortés’ Lippen. »Sie haben ihren eigenen Götzenglauben verfälscht und die überlieferten Schriften vernichtet. Seither leben sie in der Angst, dass ihre Götzen ihnen deshalb zürnen könnten – die einen, weil sie herabgewürdigt und an den Rand gedrängt wurden, aber auch die anderen, weil die Priester auch über sie letzten Endes Lügen erzählen. Und das ist noch nicht einmal alles.«
    Cortés gab mir durch einen Wink zu verstehen, dass ich mein Ohr näher an seinen Mund heranführen sollte. Da wir unverwandt voranmarschierten und unser Weg überdies recht holprig war, gelang es mir nicht ohne Mühe, diesen Befehl zu befolgen.
    »Schon in Cempoallan habe ich von König Pazinque etwas

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