Goldfieber
zu sehr weh. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, Geliebter – also lass uns die Stunden, diewir noch zusammen sein können, lieber mit schönen Dingen verbringen.«
Damit fingen wir auch gleich an, und unsere Umarmungen wurden immer leidenschaftlicher, je mehr Verzweiflung sich in unsere Zärtlichkeit mischte. In den folgenden Wochen blieb um uns herum scheinbar alles still und friedlich – aber wir beide spürten, dass es zu Ende ging. Wir spürten es jedes Mal noch etwas deutlicher, wenn wir uns wieder in unserer Hütte trafen. Doch Carlita und ich sprachen nie wieder über unseren Schmerz, unsere Verzweiflung, das gemeinsame Leben, das uns nicht vergönnt ist. »Eure Herzen sind verbunden«, hatte Marina schon im Land der Totonaken zu uns gesagt. Nur unsere Umarmungen wurden immer fiebriger, unsere Küsse immer gieriger. Wir umklammerten einander, als ob wir uns so vor dem Absturz retten könnten.
Und dann Anfang März kam der Tag, an dem Montezuma unserem Herr einige bunt bemalte Leintücher zeigte. Er hatte eine ganze Truhe voll davon und er holte die Tücher eines nach dem anderen hervor und breitete sie vor Cortés aus. Seine Späher waren ausgezeichnete Maler. Sie hatten alles so genau wiedergegeben, dass wir insgesamt achtzehn Schiffe unterscheiden konnten – Karavellen und Frachtschiffe, Briggs und einige leichte Brigantinen, alle mit der spanischen Flagge geschmückt. Es war eine schreckenerregend große Flotte – in der halbmondförmig geschwungenen Bucht, in der sie vor Anker gegangen war, wimmelte es vor Schiffen, Booten und bärtigen Männern. Und bei der Bucht handelte es sich offenkundig um Puerto Deseado unten im Tiefland der Maya.
Auch die Gestalt und die Gesichtszüge des Anführers und einiger seiner Hauptleute hatten Montezumas Späher mit bewundernswerter Kunstfertigkeit wiedergegeben. »Narváez!«, presste Cortés hervor, nachdem er das Porträt des Anführers einige Zeit angestarrt hatte. »Dieser Mann heißt Pànfilo de Narváez«, wandte er sich an Montezuma. »Wann ist er eingetroffen?«
Montezuma überging seine Frage mit einer Handbewegung, als ob er Fliegen beiseitewedeln wollte. Er hatte es so eingerichtet, dass bei diesem Gespräch außer mir kein Zeuge zugegen war. »Ihr solltet lieber fragen, warum Narváez gekommen ist!«, sagte er und sein Gesicht nahm einen verschlagenen Ausdruck an. »Ihr habt mich getäuscht, Don Hernando, Ihr habt mich von Anfang an belogen!« Er schüttelte missbilligend den Kopf und das Kolibrigefieder auf seinem Haupt wogte hin und her. »Ihr habt behauptet, dass Ihr der Statthalter Eures Königs wäret – aber Narváez hat mir versichert, dass Ihr ein gewöhnlicher Verbrecher seid! Er ist ausgesandt worden, um Euch zu verhaften, damit Ihr zu Hause Eure gerechte Strafe erhaltet. Wenn Ihr Euch aber sträubt, so soll er Euch und jeden Eurer Männer, der ihm Widerstand leistet, an Ort und Stelle töten.«
Cortés starrte ihn an wie vom Donner gerührt. Für einen Moment hatte es ihm wahrhaftig die Sprache verschlagen. Doch schon nach kürzester Zeit hatte er sich wieder in der Gewalt.
»Er hat es Euch also versichert«, wiederholte er in jenem kalten, scheinbar gleichgültigen Tonfall. »Ihr habt hinter meinem Rücken mit Narváez verhandelt. Ihr wisst doch, dass das Verrat ist, Montezuma – Verrat an Eurem Herrn, dem König von Spanien, dem Ihr den Vasalleneid geleistet habt?«
»Dieser Eid ist ungültig, Don Hernando«, entgegnete Montezuma. »Euer König hat Euch niemals beauftragt – ja, er weiß nicht einmal, dass es Euch überhaupt gibt!« Er schüttelte wieder den Kopf und drohte unserem Herrn sogar mit dem Zeigefinger, wobei sich ein düsteres Lächeln über sein Gesicht verbreitete. »Ihr beklagt Euch, dass ich Euch nicht gleich eingeweiht habe, als ich von der Ankunft dieser schwimmenden Inseln erfuhr? Meint Ihr etwa, ich wüsste nicht, was Ihr mir alles verschwiegen habt? Ihr habt eine Ehefrau auf jener Insel Kuba – und teilt hier mit Eurer Marina das Bett! Ist das nicht Sünde nach Eurem Glauben, mein brüderlicher Freund? Und Euer tätowierter Priester, der inEurer Marienkapelle auf der Großen Pyramide predigt – hat er nicht jahrelang bei den Maya in Sünde gelebt? Er hat dort eine ungetaufte Frau geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt. Unzählige Male hat er an Zeremonien teilgenommen, bei denen Eurer Ansicht nach der Teufel angebetet wird! Und nun lasst Ihr ihn in Eurer Kapelle predigen, dass ein jeder mit Höllenqualen bestraft
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