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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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geendet hat, schreien alle durcheinander und schwingen ihre Speere. Sie bilden eine dichte Traube vor dem Tor und um ihren Anführer herum, der nun seine Rechte zur Faust ballt und in die Luft emporstößt.
    Augenblicklich kehrt wieder Ruhe ein. Der grauhaarige Indianer greift unter seinen kostbar verzierten Umhang und zieht einen funkelnden Gegenstand hervor. Dazu faucht er etwas und bleckt seine spitz zugefeilten Zähne.
    »Du scheinst mich für den Herrscher von Potonchan zu halten, doch ich bin nur ein Gesandter unseres Königs«, übersetzt Melchorejo. »Diese Maske hier ist aus reinem Gold geschmiedet. Unser Herrscher schenkt dir auch dieses Kunstwerk, bärtiger Fremdling. Nimm es – und dann geht!«
    Er macht gleichfalls einen Schritt nach vorn und überreicht Cortés die Maske. Sie ist groß genug, um das Gesicht eines Mannes vollständig zu bedecken, und überaus prachtvoll gearbeitet. Doch unser Herr wirft nur einen kurzen Blick auf das funkelnde Kunstwerk und reicht es scheinbar achtlos an Portocarrero weiter. Seine Augen glitzern, aber das bemerkt in diesem Moment wohl niemand außer mir.
    »Richte deinem König meinen Dank aus«, sagt er. »Ich bin Hernán Cortés, der Statthalter des einzigen und allmächtigen Gottes. Teile ihm das mit. Und erkläre ihm, dass wir sein Angebot gerne annehmen.«
    Bereitwillig übersetzt Melchorejo, und auch der Gesandte des Königs von Potonchan vergisst für einen Moment, finster dreinzublicken. »Welches Angebot meinst du?«, erkundigt er sich.
    »Dein König bietet uns nicht nur Proviant, sondern auch Gold an«, antwortet Cortés. Wie zum Beweis deutet er auf die Körbe am Boden und anschließend auf die Maske in Portocarreros Händen. »Versichere ihm, dass wir dieses Angebot sehr zu schätzen wissen«, fährt unser Herr fort. »Bringt uns siebenhundert Rationen Truthahn und Maisfladen – und außerdem sieben solcher Körbe voller Gold. Wir werden gut bezahlen und noch am gleichen Tag weiterfahren.«
    Der grauhaarige Gesandte starrt Cortés ungläubig an. Sämtliche Indianer schreien aufs Neue durcheinander, doch diesmal kommen sie mir weniger zornig als verängstigt vor.
    »Sieben Körbe voller Gold?«, wiederholt der Gesandte, nachdem er seine Krieger zum Schweigen gebracht hat. »Dein Gott muss dir den Verstand verwirrt haben! Wenn ihr so viel Goldhaben wollt, geht weiter nach Norden, nach Cholollan – oder besser gleich bis nach Tenochtitlan! Hier in der Gegend gibt es keine Goldminen. Unser König besitzt nur einige wenige goldene Kunstwerke – und das kostbarste davon habe ich dir eben überreicht.«
    Cortés wirft Portocarrero einen raschen Blick zu. Seine Augen glänzen, seine Wangen sind rosig überhaucht. Beinahe kommt er mir wie ein leidenschaftlicher Jüngling vor, der gerade eben erfahren hat, an welchem Ort er seine schmerzlich vermisste Geliebte wiederfinden wird.
    Doch als er sich erneut dem Indianer zuwendet, ist sein Gesicht so ausdruckslos wie beinahe immer. »Nur der Teufel stiftet Verwirrung«, lässt er den Gesandten wissen. »Der einzige und allmächtige Gott dagegen erleuchtet mich mit Weisheit und schärft meinen Verstand wie ein Schwert. Also geh jetzt und richte deinem König aus, dass wir siebenhundert Proviantrationen und sieben Körbe voller Gold von ihm wollen. Falls er wirklich nicht so viel aufbringen kann, gebietet es die Höflichkeit, dass er selbst mir das sagt.«
    Melchorejo übersetzt schwitzend und stammelnd. Der grauhaarige Gesandte schaut ihn fassungslos an.
    »Heute in drei Tagen«, fügt Cortés hinzu, »werden wir uns erneut hier einfinden, wiederum zur frühesten Morgenstunde. Wenn ihr schon vorher alles beisammen habt, schickt einen Boten zu uns herüber.«
    »Und wenn unser Herrscher eure Bitte nicht erfüllt?« Der grauhaarige Gesandte bleckt erneut seine Raubkatzenzähne. Es sieht aus wie ein höhnisches Grinsen, doch im nächsten Moment blickt er wieder ernst und finster drein.
    Cortés schaut ihn mit übertriebenem Erstaunen an. »Er selbst hat es angeboten!«, ruft er aus.
    Einen Moment lang sieht es aus, als ob er noch etwas hinzufügen wollte. Doch dann tippt er sich nur mit dem Zeigefingeran die Hutkrempe und wendet sich ohne ein weiteres Wort ab. Er winkt ein halbes Dutzend unserer Männer herbei, die sich die Körbe auf den Rücken laden.
    Währenddessen beginnen die Indianer abermals durcheinanderzuschreien. Ihre goldenen Streitäxte funkeln im Licht der aufsteigenden Sonne. Einige greifen zu ihren Waffen,

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