Goldfieber
mit ihren bloßen Händen nach Gold zu schürfen.
Und von zwei Goldgräbern hörte ich, die waren durch ihre Funde so reich geworden, dass sie nie wieder einen Finger hätten krümmen müssen. Doch die Gier hatte sie beide verblendet. Als sie von einem Fluss im unwegsamen Gebirge hörten, an dessen Ufer Goldkrumen entdeckt worden waren, eilten sie heimlichdorthin, ohne einander in ihre Pläne einzuweihen. In jenem Fluss fanden sie tatsächlich Gold – doch über der Frage, wem von beiden der Fund gehörte, gerieten sie in Streit. Der eine zog sein Messer, der andere wehrte sich mit der Schaufel, die er gerade in der Hand hielt – und kurz darauf waren sie beide tot. Das Gold hatte sie reich gemacht, aber zugleich ihre Herzen verwüstet. Es hatte jenes Fieber in ihnen entzündet, das selbst besonnene, ja weise Männer binnen Kurzem in Tobsüchtige verwandeln kann.
Ich flehe dich an, heilige Mutter unseres Erlösers Jesus, bete ich wieder und wieder. Lass uns in Potonchan kein Gold finden – oder höchstens ein paar Hände voll!
- 7 -
Irgendwann muss ich doch noch weggedämmert sein. Als ich aus einem wirren Traum aufschrecke, ist es immer noch dunkel. Vom Fluss her wehen Fetzen eines zornigen Wortwechsels herauf – spanische Flüche und Drohungen, dazwischen heiseres Fauchen auf Chontal.
Ich springe aus meiner Hängematte und stelle fest, dass der Gerettete – Geronimo de Aguilar – nicht mehr in seiner Matte neben Diego liegt. Schlaftrunken tappe ich nach draußen und zwischen den Hütten hinunter zum Fluss. Über der Indianerstadt dämmert der Morgen, aber ganz schwach erst – der Himmel ist dunkelgrau wie rußiges Blech.
»Mehr haben wir nicht«, übersetzt gerade eben Aguilar. »Unsere Bauern fürchten sich vor euch – sie sind alle in die Berge geflohen!«
Ich erkenne den Geretteten an seiner muskulösen Gestalt und, als ich näher herangekommen bin, an seiner Schildkrötentätowierung. Neben ihm stehen Cortés und zwei seiner Vertrauten – der »Dröhnende« und der »Tollkühne«. Sie halten brennende Fackeln in den Händen. Vor ihnen sind ein halbes Dutzend Indianer aufgereiht, die anscheinend mit dem großen Kanu gekommen sind,das hinter ihnen am Flussufer liegt. Sie haben vier Körbe mitgebracht, und als ich neben Sandoval trete, bestätigt sich mir, was ich vermutet hatte: Die Körbe enthalten bloß ein paar zusätzliche Rationen Truthahn und Maisfladen.
»Sagt eurem Herrscher, wir geben ihm ein letztes Mal Aufschub – bis heute Mittag!«, antwortet Cortés und wie immer klingt seine Stimme vollkommen beherrscht. »Wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, nehmen wir vor eurem Stadttor sieben Körbe voller Gold und siebenhundert Rationen in Empfang – alles gegen gute Bezahlung.«
Er macht Aguilar ein Zeichen, und der ehemalige Minoritenmönch übersetzt flüssig, ohne einen Augenblick lang zu zögern. Nur als sein Blick auf mich fällt, gerät er kurz ins Stocken, und sein Gesichtsausdruck wird fragend. So als ob er sich zu erinnern versuchte, wo er mich schon einmal gesehen hat.
Ich nicke ihm zu und er runzelt die Stirn. Er wirkt verwirrt und ich fühle mich ein wenig schuldig.
»Bringt ihr jedoch nicht, worum ich euch gebeten habe«, fährt Cortés fort, »so werden wir den Zutritt in eure Stadt erzwingen und jeden, der sich uns in den Weg stellt, töten.«
Aguilar übersetzt auch diese Drohungen, ohne auch nur zusammenzuzucken. Er trägt nun Hemd und Wams, Hosen und einen Baumwollumhang nach spanischer Sitte, aber das graugelbe Muster an seinen Händen und im Gesicht kann er natürlich trotzdem nicht verbergen. Die Indianer hören ihm mit ausdruckslosen Gesichtern zu, doch zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass sie wirklich verstehen, was Cortés ihnen mitteilen lässt. Ich überlege, wie sie sich das Aussehen und die Sprachkenntnisse unseres Dolmetschers erklären mögen. Aber das liegt ja eigentlich auf der Hand: Bestimmt wissen sie längst, was weiter unten an der Küste geschehen ist, bei dem Teufelstempel im Wald hinter Puerto Deseado.
»Euer Gott muss euch mit Blindheit geschlagen haben!«,antwortet einer der Indianer. Jetzt erst erkenne ich, dass es der grauhaarige Gesandte ist, der uns vorgestern vor dem Stadttor empfangen – oder, besser gesagt, abgewiesen – hat. » Wir werden jeden von euch töten«, fügt er hinzu, »der es wagt, unsere Stadt zu betreten.«
Er wirft seinen Begleitern einen raschen Blick zu. Anscheinend haben sie Mühe, ihre Erheiterung
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