Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
vorauseilt, ein blutdürstiger Kämpfer zu sein. Doch etliche Männer aus unserem Trupp kenne ich kaum vom Sehen. Unsere Expedition zählt mehr Häupter als manche kleine Stadt in Spanien. Und doch viel zu wenige, denke ich wieder, um es mit Zehntausenden indianischer Krieger aufzunehmen!
    Ich fühle die Anspannung der Männer, doch sie scheinen keinerlei Angst zu verspüren. Dabei trägt niemand von ihnen eine Rüstung, und so wäre es für die Indianer ein Leichtes, uns mit Speeren und Pfeilen niederzumachen. Augenpaare belauern uns aus jeder Fensterluke, in jedem Türloch. Je näher wir dem Palast- und Tempelbezirk im Innern der Stadt kommen, desto breiter werden die Straßen und desto höher ragen die Häuser auf. Zweioder sogar dreigeschossig, mit flachen Dächern, die Fassaden mit bunten Reliefbändern geschmückt. Auf Fensterbänken stehen Flechtrohrkäfige mit singenden Vögeln, deren Gefieder in der Sonne leuchtet. Blühende Bäume säumen die Straßen und verbreiten Wohlgeruch. Im Grunde kommt mir die Indianerstadt ganz friedlich vor. So heiter und freundlich, wie eine Stadt, deren Bewohner den Teufel anbeten, doch eigentlich gar nicht sein kann.
    Scheu treten einige Einwohner aus ihren Türen und kommen auf uns zu. Krieger und halbwüchsige Jünglinge, auch etliche uralte Männer und Frauen mit zahnlosen Mündern und dünnem grauem Haar. Plötzlich sind wir von ihnen umringt. Ich habe gar nicht richtig mitbekommen, wie das passiert ist – eben noch war die Straße vollkommen verlassen, doch nun wimmelt es um uns herum von Indianern. Manche von ihnen tragen einfache Gewänder aus Pflanzenfasern, andere sind in prächtige Umhänge gehüllt. Aber soweit ich sehen kann, trägt niemand von ihnen eine Waffe.
    Sie überwinden ihre Scheu und kommen immer näher. Sie zupfen an unseren Hemden und Wämsern und etliche von ihnen klopfen uns mit den Fingerknöcheln gegen Brust oder Arm. Soals ob sie prüfen wollten, ob wir vielleicht aus Holz geschnitzt worden sind.
    »Sie wundern sich«, ruft einer von Sandovals Männern, »dass wir heute keine Haut aus Eisen haben!«
    Ich muss lachen, genauso wie die anderen. Ja, das wird es sein!, sage ich mir. Natürlich haben sie nicht geglaubt, dass wir Holzmenschen wären. Aber vor ein paar Tagen noch sind wir mit dreihundertfünfzig Mann in eisernen Rüstungen vor ihrem Torturm aufmarschiert.
    »Bestimmt halten sie uns für Götter oder so etwas!«, ruft Guerrero. Er stößt einen alten Indianer zurück, der ihm einen zittrigen Faustschlag auf die Brust versetzt hat. »Macht nur so weiter!«, schreit er ihn an. »Dann zeige ich euch, was ein Gott des Zorns ist!«
    »Ganz ruhig bleiben«, ermahnt ihn Sandoval. »Einfach weitergehen und alles unterlassen, was sie wütend machen könnte.«
    Mittlerweile sind wir von mindestens fünfhundert Indianern umringt. Sie schnattern und lachen alle durcheinander. Niemand von ihnen scheint sich vor uns zu fürchten. Doch anscheinend haben sie auch nichts dagegen, dass wir durch ein Loch in der Mauer einfach so in ihre Stadt hineinspaziert sind.
    Es ist wirklich so, sage ich mir, wie ich gestern zu Diego gesagt habe: Sie sind einfach nur neugierig. So etwas wie uns haben sie noch niemals vorher gesehen. Bestimmt fragen sie sich, ob wir Menschen aus Fleisch und Blut sind oder was sonst.
    Allerdings glaube ich nicht, dass sie uns für Götter halten. Für mich sieht es eher so aus, als würden sie uns als eine Art Affen ansehen. Sie zupfen an der schwarzen Behaarung, die vielen Konquistadoren auf Armen und Händen wuchert. Dazu machen sie große Augen und kichern. Wer besonders mutig ist, reckt sich auf die Zehenspitzen und zieht einen unserer Männer am Bart. Dann brechen sie alle in quiekendes Gelächter aus, schlagen sich die Hände vor den Mund und schütteln ungläubig die Köpfe.
    Vielleicht halten sie uns auch nicht für Affen, überlege ich weiter. Aber bestimmt glauben sie, dass wir höchstens so etwas wie Halbmenschen sind, die Fetzen von Tierfell im Gesicht und am Körper tragen. Bei ihnen dagegen kann ich nicht einmal ein paar Bartstoppeln entdecken. Und dann fällt mir auch noch auf, dass sie jedes Mal, wenn sie nah an einen von uns herangetreten sind, die Nase rümpfen. Ihre Gesichter verzerren sich dann vor Ekel und manche von ihnen prallen richtiggehend zurück. Jedenfalls soweit das in diesem Gedränge überhaupt noch möglich ist.
    Ergründe ihre Herzen!, befehle ich mir. Nur aus diesem Grund hat dich Cortés

Weitere Kostenlose Bücher