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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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wie morsches Treibholz, wenn sie mit einer Stahlklinge zusammenprallen. Um uns herum liegen schon mindestens zwanzig Indianer am Boden, verwundet oder tot.
    Doch auch wir haben mittlerweile mehrere Opfer zu beklagen – drei Männer liegen reglos auf der Straße, ein vierter kauert einige Schritte abseits, mit totenbleichem Gesicht in einer schmalen Lücke zwischen zwei Häusern. Es ist Tapia – der würdevolle Cristóbal de Tapia, den ich während der Überfahrt von Kuba aus irgendwelchen Gründen in mein Herz geschlossen habe, auch wenn er meist den Eindruck macht, dass er um sich herum niemanden wahrnimmt. Seine Augenlider flattern, seine Rechte hält er auf seine Brust gepresst, als wollte er gleich ein patriotisches Lied anstimmen. Doch zwischen seinen Fingern quillt Blut hervor.
    »Ich schaue nach Tapia!«, rufe ich in Sandovals Richtung und renne schon los, ohne auf seine Antwort zu warten.
    In den Augenwinkeln sehe ich noch, wie der »Tollkühne« mit der Rechten sein Schwert schon wieder emporschwingt, während er mit der Linken aufs Neue das Horn an seine Lippen setzt. Diesmal ertönt eine schrille Fanfare, deren dringlicher Klang erkennen lässt, wie sehr wir in Not sind. Wiederum antwortet Alvarado nur ein paar Wimpernschläge später, und noch ehe seine Antwort verklungen ist, schreien Sandovals Männer schon durcheinander:
    »Bravo, Pedro!« – »Er haut uns hier raus! – »Aber hoffentlich beeilt er sich!« – »Lange können wir uns hier nicht mehr halten!«
    Gerade als ich mich neben Tapia hinkauern will, rappelt der sich wieder auf. Auf seiner linken Brustseite ist ein großer Blutfleck, aber als Tapia meinen erschrockenen Blick bemerkt, winkt er mit einer würdevollen Handbewegung ab.
    »Halb so schlimm«, sagt er und hebt Schwert und Schild auf. Seine Stimme klingt matt. »Jetzt schnell zurück zu den anderen«, fügt er hinzu. »Hier können sie uns abschießen wie Rehe auf einer Lichtung!«
    Taumelnd läuft er los, zurück zu unserem Trupp, der sich hinter seinen Schilden eingeigelt hat. Ich eile ihm hinterher und in diesem Moment löst sich aus der Traube der Kämpfenden ein hünenhafter junger Krieger und kommt im Sturmschritt auf uns zugerannt. Er trägt einen gezähnten Holzknüppel in der einen und einen Spieß mit furchterregender schwarzer Spitze in der anderen Hand.
    »Achtung, Don Cristóbal!«, schreie ich und packe Tapia von hinten bei der Schulter.
    Der hünenhafte Krieger ist jetzt so nah bei uns, dass er Tapia oder mich mit seinem Knüppel niederschlagen könnte. Aber Tapia wird sich sowieso nicht mehr lange auf den Beinen halten – meine Hand ist noch immer in seine Schulter gekrampft, und ich spüre, wie er am ganzen Körper zittert.
    Ohne einen Moment lang zu überlegen, was ich da eigentlich mache, stoße ich Tapia zur Seite. Er rudert mit den Armen und fällt zu Boden. Der riesenhafte Indianer hebt seinen Knüppel und starrt mich an. Die schwarzen Steinzähne an beiden Seiten seiner Waffe funkeln im Morgenlicht. Angst schießt in mir hoch und ich fahre herum und renne in die enge Lücke zwischen den Häusern.
    Hinter mir höre ich das Keuchen und die trappelnden Schritte meines Verfolgers. Er ruft irgendetwas auf Chontal, und auch Tapia schreit hinter mir her, aber ich verstehe kein Wort. Ich haste immer tiefer in den engen Gang hinein. Ganz am Ende seheich einen schmalen Lichtfleck – dort muss eine weitere Straße sein oder ein Platz. Wenn ich mich erst dorthin durchgeschlagen habe, sage ich mir, werde ich auch den Kerl hinter mir irgendwie abschütteln!
    Aber ich selbst kann an meine Worte kaum glauben. Ich habe mich in eine Falle manövriert, und egal ob ich weiterrenne oder mich umdrehe und zum Kampf stelle – meine Lage ist aussichtslos. Die Indianer werden mich einfangen und in einem ihrer Götzentempel opfern!
    Auf der linken Seite entdecke ich eine winzig schmale Nische in der Hauswand. Ich will schon dorthin stürzen, mich hineinzwängen – was auch dahinter sein mag! Da bemerke ich die zierliche Gestalt, die dort halb verborgen in der Nische lehnt. Ihre Haut ist dunkelbraun, genauso wie ihr Gewand, und so sind im Dunkeln fast nur ihre Augen zu sehen. Riesig große, ungemein ausdrucksvolle Augen, die mich beschwörend anschauen. Es ist ein Mädchen, oder vielleicht auch eine junge Frau, und obwohl ich eigentlich kaum etwas von ihr erkennen kann, bin ich mir ganz und gar sicher, dass sie wunderschön ist. Und dass sie mir helfen will – ja, dass sie nur aus

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