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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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diesem Grund dort in der schattenreichen Mauernische steht: um mir gegen meinen mordgierigen Verfolger beizustehen.
    Als ich fast schon auf einer Höhe mit ihr bin, schüttelt sie ganz leicht ihren Kopf und deutet mit den Augen nach links. Ohne einen Moment zu zögern, befolge ich ihre Weisung und renne weiter den Gang entlang. Mein Verfolger ist mir mittlerweile so dicht auf den Fersen, dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüre – und nur einen halben Herzschlag später einen harten Schlag auf meinen Hinterkopf.
    Ich gerate ins Stolpern. Dass ich zu Boden falle und auf dem Rücken liegen bleibe, bekomme ich nur noch verschwommen mit. Im nächsten Moment wird um mich herum alles schwarz.

DRITTES KAPITEL
Kostbarer als Gold
- 1 -
    »Du bist ein Held, Orte – das sagen alle, auch Cortés!« Diego steht über mich gebeugt und grinst wie ein Affe. »Du hast Cristóbal de Tapia das Leben gerettet – das erklärt er seit vorgestern jedem, der es hören will. Und allen anderen auch.«
    »Seit vorgestern?«, wiederhole ich.
    Diego nickt. »Am ersten Tag, nachdem wir die Stadt erobert hatten, lag er selbst noch hier im Krankensaal und war zu schwach, um mehr als ein paar Seufzer von sich zu geben. Er hatte wohl ziemlich viel Blut verloren, und wenn du diesen riesengroßen Indianer nicht umgehauen hättest …«
    »Sag das noch mal!«, falle ich ihm ins Wort. »Wieso umgehauen?«
    Diego macht große Augen. »Erinnerst du dich denn an gar nichts?«
    Ich schüttele den Kopf und stöhne im nächsten Moment auf. Vorsichtig taste ich über meinen Hinterkopf und spüre einen Verband mit einer dicken Beule darunter. Verschwommen sehe ich den Krieger mit dem Holzknüppel vor mir, der mich bis in die Lücke zwischen den beiden Häusern verfolgt hat.
    »Er hat dir seinen Knüppel auf den Kopf geschlagen«, sagt Diego. »Kein Wunder, dass du dich erst mal an nichts erinnerst. Aber irgendwie musst du ihm dann noch diesen enormen Mauerbrockenüber den Schädel gehauen haben – obwohl du schon am Boden lagst.«
    Ich setze mich vorsichtig auf und schaue um mich. Wir befinden uns in einer Säulenhalle von gewaltigen Ausmaßen. Die Wände sind mit seltsamen Gemälden und Reliefbändern bedeckt, die anscheinend eine gefiederte Riesenschlange darstellen. Die Sonne scheint zwischen den Säulen hindurch, und draußen erkenne ich eine breite Treppe, die auf den Tempelplatz hinunterführt. Kein Zweifel, sage ich mir – wir sind in der Indianerstadt! Cortés muss sie also tatsächlich erobert haben – mit ein paar Hundert Kämpfern gegen eine Streitmacht von vielen Tausend Kriegern!
    In einiger Entfernung entdecke ich unseren Wundarzt Jeminez, der gerade einen der Gänge zwischen den Krankenlagern entlangeilt. Fünfzig oder noch mehr unserer Männer liegen auf Flechtmatten am Boden und jeder von ihnen hat einen Verband am Kopf, um die Brust oder einen Arm.
    »Das sieht schlimmer aus, als es ist«, behauptet Diego. »Wir haben siebenundfünfzig Verwundete, aber keinen einzigen Toten. Unser einziger Verlust heißt Melchorejo – er hat das Durcheinander anscheinend genutzt, um die Flucht zu ergreifen. Aber was soll’s«, fügt Diego lachend hinzu. »Als Dolmetscher haben wir jetzt ja den Tätowierten.«
    Ich komme mir vor wie in einem Traum. Doch gleichzeitig weiß ich ganz genau, dass ich all das hier wirklich erlebe – nicht nur deshalb, weil mein Kopf so schmerzhaft dröhnt.
    »Die Indianer haben über tausend Krieger verloren«, fährt Diego fort. »Rund vierhundert, als wir vor drei Tagen ihre Stadt erobert haben. Und bei den Kämpfen gestern und vorgestern draußen in den Maisfeldern haben wir noch einmal mindestens siebenhundert Indianer getötet.«
    In allen Einzelheiten erzählt er mir dann, wie sich die Eroberung von Potonchan abgespielt hat. Mit den Feldschlangen schossenunsere Artilleristen zweimal ins Leere – trotzdem waren die Indianer zuerst wie gelähmt vor Schreck, weil die Kanonen einen solchen Donnerkrach machten. Schon nach kurzer Zeit fassten sie sich wieder und verteidigten sich mit äußerster Entschlossenheit. Aber dann schlug der dritte Schuss in die Stadtmauer ein, direkt neben dem Torturm. Gleichzeitig drangen Alvarado und Avila von hinten mit ihren Kompanien in die Stadt ein. Sandoval und seine Männer waren mittlerweile zu ihnen gestoßen, abgesehen von einem kleinen Trupp, der Tapia und mich mit einem Boot zurück ins Lager brachte. Cortés und seine dreihundertfünfzig Kämpfer griffen also vom Fluss her an,

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