Goldfieber
haben. »Jeminez sagt, es war nurwenig zu verstehen. Aber du musst hier in der Stadt etwas erlebt haben, das dich bis in deinen Ohnmachtsschlaf hinein verfolgt hat.«
Der Atem stockt mir bei diesen Worten, doch ich nehme mich zusammen. Ich darf mir nichts anmerken lassen!, durchzuckt es mich, und niemals ist mir ein Gedanke wahrer erschienen als dieser. Obwohl ich selbst nicht richtig verstehe, was ich vor Cortés so dringend verbergen muss. Und aus welchem Grund.
»Was habe ich denn gesagt?«, frage ich und schaue ihn mit gespielter Gleichgültigkeit an. »So viel wie Aguilar hatte ich ja bestimmt nicht zu erzählen.«
Unser Herr wirft mir einen forschenden Blick zu. »Du hast eine Amazone besungen«, sagt er, »aber das hat wohl nichts weiter zu bedeuten.«
Er lächelt versonnen, und mir fällt ein, was ich auf Kuba mehr als einmal über Cortés munkeln hörte. Bevor er die Goldmine fand und ein reicher Haziendero wurde, soll er der ärgste Weiberheld in der ganzen Neuen Welt gewesen sein. Angeblich ließ Gouverneur Velazquez ihn sogar einmal in den Kerker sperren, weil er der Schwester eines Hazienderos die Ehe versprochen, sich dann aber lieber mit anderen Frauen vergnügt haben soll. Zu dem heutigen Cortés scheinen diese Geschichten überhaupt nicht zu passen, und doch bin ich mir aus irgendeinem Grund sicher, dass sie wahr sind.
»Was ist dort in dem Durchgang zwischen den Häusern passiert?«, fragt mich Cortés. »Du hast den Indianer besiegt, der hinter dir her war. Wenn du ihn nicht von Tapia abgelenkt hättest, wäre der Ärmste vermutlich auf einem Opferaltar gelandet. Aber jetzt verrate mir, Orteguilla: Wie hast du das gemacht?«
Er nimmt mich beim Ellbogen und zieht mich quer über den Platz. Die Sonne scheint, aber der Platz ist mit Pfützen übersät. Die Luft ist dampfend feucht, und ich spüre, wie mir Schweißtropfen den Rücken hinunterrollen.
»Dein Gegner war ein starker Mann und schwer bewaffnet«, fährt Cortés fort. »Du lagst bereits am Boden und hattest eine Wunde am Hinterkopf. Du musst benommen gewesen sein. Und trotzdem hast du ihn mit einem einzigen Schlag getötet! Sogar Portocarrero war beeindruckt – und das will wirklich etwas heißen.«
Er spricht in beiläufigem Tonfall, doch ich spüre, dass es ihm ernst ist. Er hat ein Gespür für Dinge, die scheinbar nebensächlich sind – wenn man aber an so einem Fadenende zieht, dann zeigt sich oftmals, dass alles, was man gesucht hat, wie aufgefädelt daran hängt. So hat es mir Cortés einmal auf Kuba erklärt.
»Es tut mir leid, Herr«, antworte ich, »aber ich weiß nicht, wie es sich zugetragen hat. Der Schlag auf meinen Kopf hat mein Gedächtnis verdunkelt. Ich weiß nicht einmal, wo der Stein herkam, den ich ihm anscheinend auf den Schädel gehauen habe.«
Wieder wirft mir Cortés einen raschen Seitenblick zu. »Irgendetwas Geheimnisvolles steckt dahinter«, sagt er, »das spürst du bestimmt genauso wie ich. Aber du wirst es ergründen, Orteguilla, und dann erstattest du mir Bericht.«
Ich nicke und murmele, dass ich ihn ganz bestimmt nicht enttäuschen werde. Dabei komme ich mir wie ein Lügner und Verräter vor, und doch fühle ich, dass ich so und nicht anders handeln muss. Ich darf niemandem von dem Mädchen erzählen, sage ich mir – auch wenn es dadurch so aussieht, als wollte ich mich mit fremden Taten schmücken. Nur warum ich weder Cortés noch Diego oder irgendwem sonst von dem Mädchen erzählen darf, das ist mir alles andere als klar. Wieder einmal kommt mir mein eigenes Herz so unergründlich vor wie das tiefe Meer.
Cortés steuert auf einen bunt bemalten Rundturm in einer Seitenstraße hinter dem Tempelplatz zu. Vor der Tür stehen zwei unserer Männer Wache. Als wir bei ihnen sind, salutieren sie und treten zur Seite, um uns einzulassen. Cortés eilt die enge Wendeltreppe hoch, und ich folge ihm, so rasch ich kann.
Oben treten wir in einen dämmrigen Saal. Durch Lukenfenster dringt nur wenig Sonnenlicht ein. Der Boden ist mit Flechtmatten ausgelegt, an den Wänden stehen tönerne Krüge in Regalen.
»Weißt du, was das hier ist?«, fragt mich Cortés.
Auf den Matten liegen bemalte und beschriebene Blätter verstreut. Einige sind zusammengerollt und mit Schnüren umwunden, andere zu langen Faltbüchern zusammengeklebt – Leporello-Heften, wie wir sie auch in Spanien verwenden. Nur dass die Falthefte der Indianer viel bunter sind, ein Gewirr aus Schrift- und Bilderzeichen, das jedes Blatt bis in das
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