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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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deshalb haben sie zwar manchmal auch Angst vor uns – aber nur ungefähr so, wie wir uns vor einem Bären oder Tiger erschrecken würden, der plötzlich vor uns auftaucht.«
    Cortés starrt mindestens eine Minute lang vor sich hin, dann nickt er mehrfach. »Wenn sie uns für Verkörperungen ihrer Götter halten würden«, sagte er, »wäre natürlich alles viel einfacher. Aber du hast recht, Orteguilla, du hast völlig recht: Für sie sind wir höchstens eine Art Ungeheuer.« Er hebt seinen Kopf und schaut mich wieder von der Seite forschend an. »Und was sonst noch?«
    »Sie sind neugierig!«, platze ich heraus. »Aber verzeiht, Herr, das ist nun wahrhaftig keine Neuigkeit. Die Indianer sind so neugierig, dass sie darüber alles andere vergessen können – ihre Angst, ihren Zorn, sogar ihre Feindseligkeit.«
    Auch das lässt sich Cortés einen Moment lang durch den Kopf gehen. »Dass sie so neugierig wie Kinder sind, ist wirklich keine Neuigkeit«, sagt er schließlich. »Aber dass sie darüber sogar ihre Feindseligkeit vergessen können, hatte ich so noch nicht gesehen.«
    Er denkt erneut eine kleine Weile lang nach. »Du glaubst vielleicht, dass deine Beobachtungen von geringem Wert für mich seien«, fährt er fort. »Aber das Gegenteil trifft zu. Erst jetzt beginne ich zu begreifen, warum wir diese dreitägige Schlacht gegen eine zehnfache Übermacht letzten Endes gewonnen haben. Und warum es zwischenzeitlich so aussah, als ob sie uns abschlachten oder günstigstenfalls davonjagen würden.«
    Er springt wieder auf und geht erneut zwischen den Krügen voller Faltbücher und den am Boden verstreut liegenden Blättern auf und ab. Dabei erzählt er mir, wie die Kämpfe der letzten beiden Tage verlaufen sind. Vorgestern befahl er drei Kompanien unter der Führung von Sandoval, Portocarrero und Alvarado, in einem Umkreis von fünf spanischen Meilen nach Maisbauern und Truthahnzüchtern zu suchen. Die Männer sollten für alles, was sie mitnahmen, einen gerechten Preis bezahlen, aber wenn die Bauern ihnen nicht freiwillig Lebensmittel verkauften, dann sollten sie sie notfalls mit Waffengewalt dazu zwingen.
    Alvarado stieß bald schon auf eine große Zahl von Feldern, die mit Mais bebaut und von Wassergräben durchzogen waren. Doch als sie die Bauern aufforderten, ihnen einen Teil ihrer Ernte zu verkaufen, da wurden sie auf einmal von mehreren Hundert Indianern angegriffen. Sie riefen die anderen Kompanien zu Hilfe, und auch Cortés selbst eilte mit einer weiteren Kompanie, dreißig Armbrustschützen und zwei Kanonen herbei. Doch diesmalblieben die Geschütze wirkungslos. Um ihre Treffsicherheit ist es ohnehin nicht sehr gut bestellt, und an den Donnerkrach, das Blitzen und Qualmen aus dem Mündungsrohr hatten sich die Indianer nach der Schlacht am Vortag bereits gewöhnt.
    »Sie sind neugierig, das hast du ganz richtig beobachtet«, sagt Cortés, »aber ihre Neugierde ist nicht nur schnell entfacht, sondern fast noch schneller wieder abgekühlt. Und dann kämpfen sie so zäh und furchtlos weiter, als ob sie alle mit Kanonendonner aufgewachsen wären.«
    Wegen der hochragenden Maispflanzen auf den Feldern blieben auch die Armbrustschützen wirkungslos, erzählt Cortés weiter. Unsere Männer stolperten in den Äckern herum, fielen in Wassergräben, und nach kürzester Zeit waren dreißig von ihnen verwundet, davon die Hälfte so schwer, dass sie sofort verarztet werden mussten. Hätten die Indianer es darauf angelegt, ihre Gegner zu töten, so wären bei dieser Schlacht zweifellos viele unserer Männer ums Leben gekommen.
    Schließlich befahl Cortés den Rückzug und die Indianer schickten ihnen noch Hagel von Pfeilen und höhnisches Gelächter hinterher. Unser Herr aber blieb unbeeindruckt. Er befahl, die Verwundeten zu versorgen, und schickte Sandoval mit einem kleinen Trupp zur Küste, damit sie im Schutz der Nacht die Pferde herbeiholten.
    »Gestern früh zogen wir aufs Neue in die Schlacht«, sagt er, »wieder draußen in den Maisfeldern, aber diesmal mit allen Pferden. Du kannst dir kaum vorstellen, was für eine ungeheure Wirkung wir bei den Indianern hervorriefen: sechzehn Ritter in voller Rüstung zu Pferde. Sie starrten uns mit offenen Mündern an oder rannten schreiend davon. So oder so vergaßen sie zu kämpfen und schauten nur wie gelähmt zu, während wir ihre Streitmacht wie eine Schafherde zusammentrieben und niedermachten. Einige von ihnen ließen wir am Leben und nahmen sie als Gefangene mit in die

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