Goldfieber
voller Gold und Silber, Federschmuck und Edelsteinen!«
Cortés und seine Vertrauten wechseln bedeutungsvolle Blicke.
»Wenn Ihr uns nicht glaubt, dann martert uns zu Tode«, setzt der angebliche Herrscher von Potonchan hinzu. »Aber dann könnt Ihr uns auch genauso gut auf der Stelle töten. Mehr Gold besitzen wir nicht und das werden auch unsere letzten Worte sein. Egal, ob ihr uns die Fußsohlen verbrennt oder die Haut abzieht.«
Genau in diesem Augenblick wendet unser Herr seinen Kopf nach links und schaut zu mir herüber. Seine dunklen Augen sehen mich durchbohrend an. Er hat die ganze Zeit über gewusst, dass ich gerade hier zwischen den Säulen stehe!, schießt es mir durch den Kopf. Hat er etwa auch mitbekommen, wie das Indianermädchen und ich einander angestarrt haben?
Ich nicke ihm zu, wie um zu sagen: Ja, Herr, er spricht die Wahrheit. Aber gleichzeitig spüre ich, dass der Gefiederte lügt, dass sie ihren Goldschatz hartnäckig vor uns verbergen – und dass Cortés das genauso gut weiß wie ich selbst. Ich spüre sein Erstaunen, seinen Argwohn, doch tief in meinem Herzen fühle ich zugleich die Gewissheit, dass ich so und nicht anders handeln muss.
Auch ohne die Qualmschwaden, die vom brennenden Bücherturm herüberziehen, hätte ich nur wie durch eine Nebelwand mitbekommen, was danach noch alles passiert. Unsere Männer erklimmen die Pyramiden rings um den Tempelplatz und werfen dutzendweise hölzerne Götzenbilder in die Tiefe. Die Figuren kollern die Pyramidenstufen hinab, es kracht und rumpelt. Wenn die Götzenbilder unten angekommen sind, ist nur noch ein Durcheinander bunt bemalter Trümmer und Splitter von ihnen übrig. Der Gefiederte und seine Gefolgschaft schauen sich das alles ohne erkennbare Gemütsbewegung an.
Sandoval überreicht Cortés sodann eine silberne Glocke, Portocarrero einen dampfenden Weihrauchkessel. Von irgendwo herwird außerdem eine Madonnenfigur herbeigeholt. Geschickt schmückt Alvarado die Truhe mit einem weißen Leinentuch und einigen Palmwedeln, ehe er die geschnitzte Muttergottes darauf stellt.
Cortés schwenkt den Weihrauchkessel und die Glocke und stimmt erneut einen feierlichen Singsang an. Er trägt nun auch wieder eine Priesterrobe und so singt und predigt er und schwenkt die heiligen Requisiten. Unsere Männer kommen von allen Seiten herbei. Ich entdecke Cristóbal de Tapia und den narbenreichen Gonzalo Guerrero. Sogar Francisco de Morla ist herbeigeeilt, der Neffe von Gouverneur Velazquez. Unsere Männer bekreuzigen sich und murmeln die vorgeschriebenen Formeln, und nachdem sie eine Weile zugeschaut haben, machen ihnen die Indianer auch diesmal alles nach. Sie beugen ihre Knie, schlagen unbeholfen das Kreuzzeichen und singen so gut sie können das Ave Maria mit.
»Im Namen des Heiligen Vaters und des allerkatholischsten Königs von Spanien!«, ruft Cortés aus. »Hiermit verleihe ich der Indianerstadt, die bisher Potonchan hieß, den christlichen Namen Santa Maria de la Vitoria – denn nur durch sie, die heilige Muttergottes, nur durch ihren Beistand haben wir die Teufelsjünger besiegt!«
Weiterhin singend, Glocke und Weihrauchkessel schwenkend, steigt Cortés vom Podest hinab. Feierlich schreitet er den Pfad entlang, den unsere Männer mit Palmzweigen quer über den Platz ausgelegt haben. Eine große Schar von Konquistadoren folgt ihm und auch der Gefiederte, seine Häuptlinge und Krieger reihen sich singend und die Knie beugend in die Prozession ein.
Also hat Cortés eingesehen, sage ich mir, dass wir hier in Potonchan kein Gold mehr finden werden? Allem Anschein nach hat er doch angeordnet, dass wir alle die Stadt umgehend verlassen und zu unseren Schiffen an der Küste zurückkehren! Diese Aussicht erfreut mich so sehr, dass ich beinahe in lautes Jubeln ausgebrochen wäre.
Doch da entdecke ich Diego, der in großen Sprüngen die Freitreppe heraufgerannt kommt. Und im nächsten Moment ist es mit meiner Freude wieder vorbei.
»Befehl unseres Herrn!«, ruft er atemlos. »Die Verwundeten und die Kranken bleiben noch bis morgen hier in Potonchan – in Santa Maria de la Vitoria!«, berichtigt er sich mit leuchtenden Augen. »Zu eurer Sicherheit lassen wir eine Kompanie unter Alvarados Kommando hier«, fährt er fort. »Morgen bei Sonnenaufgang nehmen euch die Boote vorne am Fluss auf. Wir anderen machen währenddessen die Schiffe für die Weiterfahrt klar.«
Wundarzt Jeminez hat sich zwischen den Verletzten hindurch einen Weg zu Diego gebahnt. »Das
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