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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Knie, aber der Gefiederte macht ihnen ein gebieterisches Zeichen. Im nächsten Moment stehen alle wieder wie Steinsäulen da und schauen ausdruckslos vor sich hin.
    Dabei hat das Geschütz offenbar großen Schaden angerichtet. Von meinem Platz bei den Säulen kann ich den Bücherturm nicht sehen – doch ich habe so gut wie jeder andere den dumpfen Schlag gehört, das Rumpeln und Malmen von Steinmassen, die in sich zusammensacken. Und wie alle anderen sehe ich die Flammen, die nun dort drüben fauchend in den Himmel hinaufzüngeln, und spüre den beißenden Qualm in Augen und Kehle.
    Ist es wirklich richtig, was wir hier machen?, frage ich mich mit plötzlichem Erschrecken. Dass sie ihren Götzen Menschenopfer bringen, ist gewiss ein teuflischer Brauch. Aber kann es dennüberhaupt sein, dass sie all das hier allein dem Teufel verdanken: ihre prächtigen Bauwerke, Kunstwerke und Bücher, ein allem Anschein nach wohlgeordnetes Reich? Vielleicht haben sie ja früher einmal an den einen und allmächtigen Gott geglaubt – bevor sie irgendwann den Einflüsterungen des Satans erlegen sind?
    Ist nicht auch in der Bibel irgendwo von einem Volk die Rede, das zum Götzenglauben abirrte und schließlich auf den rechten Weg zurückfand? Der Kopf brummt mir immer stärker. Schließlich bin ich kein Mönch oder Priester, und bisher schien es mir immer sonnenklar, wo die Grenzlinie zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel verläuft.
    Der angebliche Herrscher von Potonchan legt die flachen Hände vor seiner Brust gegeneinander und deutet eine Verneigung vor Cortés an. »Ihr habt uns im Kampf besiegt«, wiederholt er, »und eure Götter waren diesmal stärker als die unseren. Aber ich bitte Euch, bärtiger Herrscher, brennt unsere Stadt nicht nieder!«
    Cortés wirft dem Gefiederten einen Blick zu. Dann schiebt er Daumen und Zeigefinger zwischen seine Lippen und stößt einen gellenden Pfiff aus. Fast noch im selben Moment fliegt an einem Palast auf der anderen Seite des Platzes eine Tür auf. Vier prachtvolle Pferde kommen wiehernd und schnaubend heraus – und galoppieren quer über den Platz auf das Podest zu! Vorneweg Cortés’ milchweißer Hengst, dahinter Portocarreros stämmiger Rappe, dann einträchtig nebeneinander Sandovals Schecke und Alvarados fuchsroter Hengst. Ihre Mähnen wehen, ihre Hufe trommeln auf den steinernen Boden – und die Indianer starren ihnen mit schreckgeweiteten Augen entgegen.
- 6 -
    Die vier Rösser umringen die Häuptlinge und ihren von Kopf bis Fuß gefiederten Herrscher. Sie schnauben und tänzeln und vor ihren Mäulern bläht sich weißer Schaum. Die Indianer geben ihr Bestes, um unbeeindruckt zu scheinen, aber sie können ihrGrauen nicht vollständig verbergen. Ihre Gesichter sind verzerrt, ihre Beine schlottern. Sie werfen einander Blicke voller Entsetzen zu.
    »Die Apostel sind zornig!«, schreit Cortés und deutet mit ausgestreckten Armen auf die schnaubenden Pferde. »Weil ihr es gewagt habt, mich anzugreifen – mich, den Statthalter des einen und allmächtigen Gottes!«
    Er klatscht in die Hände und sein Schimmelhengst bäumt sich vor dem Gefiederten auf. »Euch bleibt noch eine einzige Chance, den Zorn der Apostel zu besänftigen!«, ruft Cortés. »Bringt uns sieben Körbe voller Gold!«
    Der Gefiederte und die zwanzig Häuptlinge fallen auf die Knie. Sie küssen den Boden, richten ihre Oberkörper wieder auf und recken die Hände zu den Pferden empor.
    »Vierfüßige Götter!«, ruft der vermeintliche Herrscher von Potonchan. »Alles, was wir an Gold besitzen, haben wir Eurem Statthalter überreicht! Ich schwöre es – mehr haben wir nicht! Wenn Euch nach großen Goldschätzen verlangt, so zieht weiter nach Norden! Oben am See von Texcoco herrscht der große Montezuma, König der Azteken!«
    Auf einen Wink von Cortés werden die Pferde von vier Konquistadoren wieder weggeführt. Der Gefiederte rappelt sich auf und die zwanzig Häuptlinge folgen seinem Beispiel.
    »Montezuma, König der Azteken?«, wiederholt Cortés, nachdem Aguilar die Worte des Gefiederten übersetzt hat. »Warum sollte ich dir glauben, dass er Gold besitzt?«
    Der Gefiederte starrt ihn so entgeistert an, als ob er an Cortés’ Verstand zweifeln würde. »Niemand ist reicher und mächtiger als Montezuma!«, ruft er aus. »Außer Eurem bärtigen König und Euren zwei- und vierfüßigen Göttern natürlich!«, schiebt er eilends hinterher. »Seine Hauptstadt heißt Tenochtitlan. Seine Schatzkammern quellen über

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