Goldfieber
Kostbarkeiten zu Füßen zu legen.«
Er schnipste mit den Fingern. Zwei Diener ergriffen eine Kiste vom Umfang zweier aufeinandergestapelter Särge, die sie einige Schritte hinter Teudile abgestellt hatten. Mit sichtlicher Mühe schleppten sie das Behältnis herbei und stellten es zwischen Cortés und dem Tributeintreiber ab.
Teudile knurrte einen Befehl und die Diener öffneten die Kiste. Sie war bis zum Rand mit erlesenen Goldschmiedearbeiten gefüllt. Der Tributeintreiber nahm eine nach der anderen heraus und breitete alles auf dem Tisch neben Cortés aus – goldene Teller und Becher, goldene Götzen- oder Königsfiguren und ein ganzes Obergewand aus reinem Gold, bestehend aus Brust- und Schulterplatten, Armschützern und einem handbreiten Halsband aus gehämmertem Gold.
Cortés nahm jedes einzelne Stück zur Hand und betrachtete es ausgiebig. Seine Augen glänzten dabei so fiebrig, dass es mir in der Seele wehtat.
Unsere Männer stießen erregte Rufe aus. Sie fielen einander in die Arme, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und riefen »Holla, jetzt geht’s erst richtig los!« oder »Wo eine Kiste voller Gold ist, gibt es bestimmt noch ein paar mehr!«. Alvarado erhob sich und machte ihnen Zeichen, dass sie stillschweigen sollten. Doch weiterhin summte der Platz um uns herum von ihrem aufgeregten Geraune.
Teudile schnipste erneut mit den Fingern. Wiederum traten zwei Diener aus seinem Gefolge vor. Jeder von ihnen hielt einen gewaltig großen Gegenstand vor die Brust gedrückt, der offenbar kreisrund war – wie ein Wagenrad oder ein mächtiger Käseleib. Die Gegenstände waren in Webtücher gehüllt und so schwer, dass die Diener sie nur mühsam herbeischleppen konnten.
Sie legten die Gaben oben auf die geöffnete Kiste und traten zurück. Mit einem Ruck riss Teudile beide Tücher gleichzeitig weg – und Portocarrero brüllte regelrecht auf! Wieder riefen unsere Männer aus über fünfhundert Kehlen durcheinander und selbst Cortés atmete hörbar zischend durch die Zähne ein.
Vor uns lagen zwei gigantische Scheiben, eine aus Silber, die andere aus Gold. Sie hatten einen Durchmesser von gut drei Fuß und waren über und über mit kunstvollen Schrift- und Bildzeichen bedeckt. Sichtlich stolz begann Teudile zu erklären, dass das silberne Rad den Mondkalender und das goldene den Sonnenkalender der Azteken darstelle. Malinali und Aguilar übersetzten, doch ich spürte, dass Cortés nichts davon mitbekam.
Er beugte sich vor und strich mit abwesendem Gesichtsausdruck über das goldene Rad. Seine Augen glitzerten nicht – sie leuchteten, als ob er anstelle der Augäpfel Goldkugeln in seinem Kopf trüge. Mit beiden Händen hob er die Goldscheibe ein wenig an, wie um ihr Gewicht abzuschätzen, und schüttelte den Kopf.
»Ist das reines Gold?«, fragte er mitten in Teudiles Ausführungen hinein. »Oder woraus sonst besteht diese Scheibe in ihrem Kern?«
Er hob die Scheibe aufs Neue an. An der Art, wie er sein Kinn vorreckte, erkannte ich, dass er drauf und dran war, sie auf die Holzkiste niederkrachen zu lassen, um selbst nachzuprüfen, woraus ihr Kern bestand. Ein halbes Dutzend Goldschmiede mussten monate- oder sogar jahrelang an diesem einzigartigen Kunstwerk gearbeitet haben – doch Cortés interessierte ganz offensichtlich nur, zu wie viel reinem Gold es sich einschmelzen ließ.
»Mahagoniholz«, gab Teudile mit säuerlicher Miene zurück, nachdem Cortés’ Frage für ihn übersetzt worden war. »Jede dieser Scheiben ist zweifingerdick mit Gold oder Silber beschichtet, doch um ihnen die nötige Festigkeit zu verleihen, bergen sie zuinnerst ein hölzernes Herz.«
Cortés nickte und schaute mit leuchtenden Augen von einem funkelnden Rad zum anderen. »Ein hölzernes Herz«, murmelte er, »das ist gut.«
Teudile schnipste ein drittes Mal mit den Fingern. Weitere Diener traten vor und bedeckten die Gold- und Silberräder mit kostbaren Gewändern. Mit einem Umhang und dazu passendem Kopfschmuck, beides prangend rot und offenbar aus nichts anderem als Vogelfedern gefertigt.
Cortés rieb sich die Augen, als erwachte er aus tiefem Schlaf. Nun, da die Goldscheibe unter den Kleidungsstücken verschwunden war, schien er wieder zu Besinnung zu gelangen – wie ein Verzauberter, dem es geglückt war, sich aus dem magischen Bann herauszureißen.
»Ihr liebt die Farbe Rot, hoher Herr«, rief Teudile aus, »und Ihr verschmäht Menschenopfer! Legt diese Gewänder des mächtigen Quetzalcoatl an und
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