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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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einen Zustimmungsrausch hinein. Doch mir ist immer noch nicht klar, welche Rolle unser Herr bei diesem sonderbaren Spektakel spielt.
    Schließlich erwacht Cortés aus seiner Versunkenheit und sieht mich an. »Wie soll sie heißen?«, fragt er mich.
    Ich reiße meine Augen auf. »Wie …?«, stammele ich. »Wie soll wer …?« Doch im nächsten Moment wird mir klar, was Cortés meint – oder, besser gesagt, wen. »Carlita«, sage ich und spüre, wie meine Wangen heiß werden. »Für mich hieß sie vom ersten Augenblick an Carlita.«
    »Vom ersten Augenblick an?« Cortés schaut mich an, wie nur er das kann. Spöttisch, durchbohrend, voller Argwohn. Aber ich spüre, dass er mir trotz allem vertraut und auch ein wenig Sympathiefür mich empfindet. Obwohl er ahnt, dass ich ihn verraten habe. Damals in Potonchan.
    »Nun, ich meinte natürlich«, berichtige ich mich, »als ich zum ersten Mal ihren Namen gehört habe. Carapitzli.« Ich erwidere seinen Blick und gebe mir alle Mühe, gelassen auszusehen. »Heißt das, Herr, dass Fray Bartolomé ihre religiöse Unterweisung abgeschlossen hat?«
    Cortés nickt. »Sie werden heute getauft«, sagt er. »Aus Malinali wird Marina – und aus Carapitzli also Carla.« Jenes Lächeln kräuselt seine Lippen und erlischt. »Unser König Karl wird erfreut sein«, fügt er hinzu. »Falls er jemals davon erfährt.«
    Hinter uns ruft Notar Gutierrez unaufhörlich weitere Namen aus und die Männer antworten ebenso unermüdlich mit Jubelschreien. Ich werfe einen Blick über meine Schulter – die kleine Felsplattform ist gedrängt voll mit frisch gewählten Würdenträgern. Wenn sie so weitermachen, geht es mir durch den Kopf, wird die neue Stadt bald ebenso viele Einwohner wie Ratsherren zählen – und kein einziges Haus, nicht einmal eine strohgedeckte Hütte!
    Mit einem Mal wird mir wieder bang ums Herz. »Was wird nun werden, Herr?«, frage ich. »Bleiben wir wirklich hier – an diesem Ort?«
    Cortés sucht in seinen Taschen herum. Meine Frage scheint er nicht gehört zu haben – oder er zieht es vor, nicht darauf zu antworten. Als seine Hand wieder zum Vorschein kommt, ist sie zur Faust geballt. »Unten am Strand wartet Juan de Escalante mit fünf Männern und einem Segelboot«, sagt er. »Sie bringen dich zurück zu unserem Lager. Hole Marina und Carla und schaffe sie umgehend hierher. Beantworte keine Fragen – egal, wer sie dir stellt. Hast du das verstanden, Orteguilla?«, fragt mich Cortés und hält mir seine Faust unter die Nase.
    »J-ja, Herr«, stottere ich. »Ich werde alles so ausführen, wie Ihr es mir aufgetragen habt.«
    »Sehr gut«, sagt Cortés. »Und das hier überreiche unseren Christenmädchen.«
    Er lässt seine Faust aufschnappen und auf seiner Handfläche funkelt es golden. »Diese ist für Marina bestimmt«, fährt er fort und schiebt mit der Fingerspitze zwei goldene Halsketten auseinander. »Und diese für die geheimnisvolle Carlita.«
    Er lässt die Schmuckstücke in meine Hand hinüberrrieseln. Mit ihren schlichten Kruzifixen und den Kettengliedern aus gehämmertem Gold sehen sie vollkommen gleich aus, nur ist die eine Kette breit und massiv, die andere schmal und zart.
    »Hänge sie ihnen um und beglückwünsche sie, weil sie durch das Sakrament der Taufe von ihrem Heidentum erlöst worden sind!«, befiehlt mir Cortés. »Heute noch werden Montejo und Morla von ihrer Erkundungsfahrt zurückkehren«, setzt er übergangslos hinzu. »Es ist dafür gesorgt, dass sie nicht mehr ins Lager zurückkehren, sondern gleich hier unten am Strand vor Anker gehen. Aber auch davon sagst du zu niemandem ein Wort. Und jetzt geh!« Er nickt mir zu und wendet sich um.
    Ein Knäuel an Fragen steckt mir in der Kehle, doch ich würge alles wieder herunter. Ich verstaue die Taufketten in meiner Gewandtasche, während Cortés mit bedächtigen Schritten zu der »Versammlung redlicher Männer« zurückkehrt.
    Ich bin schon ein paar Schritte in Richtung Meer gerannt, da lässt mich ein wohlvertrautes Dröhnen erstarren. »Ich bin jetzt euer verdammter Alcalde!«, schreit Portocarrero. »Auch deiner, Hernán – also komm schon her, wenn dein Bürgermeister dich ruft! Oder willst du vielleicht, dass ich dir meinen Obersten Wachtmeister Sandoval auf den Hals hetze, du elender Sturkopf?«
    Portocarreros Bassstimme klingt so donnernd und rau wie immer, und auch die Anzahl der Flüche und Schimpfwörter, die er in einem einzigen Satz unterbringt, ist weder größer noch kleiner als

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