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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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hat ja die Ratsversammlung von Vera Cruz vor, ihre indianischen Bauarbeiter zu entlohnen? Ich versuche mir einzureden, dass sie das höchstwahrscheinlich schon beschlossen haben – vorhin, als ich mit Escalante zurück zur Santa Maria gefahren bin. Doch wiederum ist mir klar, dass ich mir etwas vormache. Portocarrero würde sich eher eine Hand abhacken, als einem Indianer freiwillig einen noch so kargen Arbeitslohn zu bezahlen – und schließlich haben sie den »Dröhnenden« heute zum Bürgermeister unserer Stadt gewählt.
    Carlita berührt meine Hand und lächelt mich von der Seite an. »Was bekümmert dich?«, fragt sie mich. »Du siehst fast so düster aus wie Tlaloc, unser Regengott … wie der Wettergötze meines Volkes«, berichtigt sie sich rasch.
    Ich neige mich so weit zu ihr hinüber, dass mein Mund fast ihr Ohr berührt. Ich rieche den Duft ihres Haars, das sie sich hinter ihr hübsch geformtes Ohr gestrichen hat. Alles Düstere, Niedergedrückte, das ich eben noch in mir spürte, löst sich auf wie Nebelschwaden im Sonnenschein.
    »Tzoconia« , flüstere ich. »Ich möchte dich küssen, Carlita. Mit dir allein sein will ich und mit meiner Hand fühlen, wie dein Yollotli voller Verlangen nach mir pocht.«
    Sie lächelt mich an. »Es ist Sünde, sagt Fray Bartolomé«, gibt sie zurück und ihr Lächeln erlischt. »Außer bei Eheleuten«, fügt sie hinzu, »denn dann schaut die Göttin Maria zu und aus der Sünde wird Liebe.«
    Ich starre sie entgeistert an. Eheleute?, wiederhole ich still für mich. Soll das etwa heißen, dass ich Carlita heiraten muss, damit wir einander küssen und berühren dürfen?
    Es kommt mir so absonderlich vor, dass ich beinahe in Gelächter ausgebrochen wäre. Ich bin ein Junge von gerade einmal sechzehn Jahren und Carlita ist bestimmt nicht älter als ich! Aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger lächerlich finde ich diese Idee. Wenn ich Carlita heiraten würde, wäre sie nicht länger meine Sklavin. Wir würden in unserem eigenen Haus in Villa Rica de la Vera Cruz leben, mit einer eigenen Schlafkammer, in die niemand einfach so hereingepoltert kommen könnte … Und schon entrollt sich jener Tagtraum aufs Neue in meinem Kopf. Carlita und ich liegen auf unserem breiten und bequemen Bett, wir beide sind vollkommen nackt und wir umschlingen einander und …
    »He, Orte! Schläfst du wieder mal mit offenen Augen?« Das ist natürlich Diego, der mich ausgerechnet an dieser Stelle aus meinem Tagtraum herausreißen muss.
    Ich schaue ihn wütend an, doch im nächsten Moment weicht meine Wut der Verblüffung. Unsere Kolonne hat das Ufer eines breiten Stroms erreicht, auf dem ein gewaltig großes Kanu auf uns zuhält. Mindestens dreißig Indianer sitzen darin, allesamt prächtig gekleidet, bemalt und geschmückt. In ihrer Mitte, auf einem erhöhten Sitz, thront ein stämmiger Indianer, der einen silbern schimmernden Umhang trägt. Auf seinen Knien hält er eine aufrecht stehende goldene Figur, die so lang wie der Oberarm eines ausgewachsenen Mannes ist.
    Der stämmige Indianer ist Sturmbezwinger, das wird mir klar, noch bevor das Kanu unser Ufer erreicht hat. Die Figur auf seinen Knien funkelt im Licht der untergehenden Sonne. Sie stellt eine überirdisch schöne junge Frau dar, deren glückseliges Lächeln alles und jeden in ihrer Umgebung erstrahlen lässt.
    »Eine Madonna!«, sagt Diego. »Wie kommen diese Wilden zu einer Skulptur unserer Muttergottes?«
    Ich zucke ratlos mit den Schultern. Sturmbezwinger springt ans Ufer und schreitet auf Cortés zu.
    »Das ist Xochiquetal, die Göttin der Liebe«, flüstert Carlita. Sie lächelt beinahe so glückselig wie die goldene Figur. »Die gleiche Göttin, die ihr Maria nennt!«
    Diego starrt sie zornig an und hat den Mund schon halb offen – zweifellos, um Carlita entgegenzuschleudern, dass wir Christen im Gegensatz zu den »Wilden« nur den einen und allmächtigen Gott anbeten. Doch ich werfe Diego einen strengen Blick zu und schüttele den Kopf.
    Bei der religiösen Unterweisung durch Fray Bartolomé scheint Carlita etwas missverstanden zu haben. Aber darüber werde ich und sonst niemand mit ihr sprechen. »Wenn man an einem Fadenende zieht, das scheinbar zufällig irgendwo heraushängt«, hat Cortés zu mir gesagt – »dann zeigt sich nicht selten, dass alles, was man gesucht hat, wie aufgefädelt daran hängt.«
    Ich schaue von Carlita zu der goldenen Göttin, die Sturmbezwinger soeben Cortés überreicht – und ich

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