Goldfieber
gewöhnlich. Und trotzdem vergesse ich zu atmen, während ich mich umdrehe und Cortés hinterherstarre, wie er den sandigenPlatz überquert. Langsam, fast schlendernd, als wollte er betonen, dass er nur noch ein einfacher Bürger der Stadt Vera Cruz sei, geht unser Herr auf die kleine Felsplattform zu. Dort oben stehen mittlerweile nur noch rund fünfzehn Männer – die Ratsherren, nehme ich an, die zu ihrer ersten Sitzung zusammengekommen sind.
»Die Ratsversammlung von Vera Cruz«, schreit Portocarrero, während Cortés die Plattform erklimmt, »hat mich beauftragt, Euch, Don Hernán Cortés, folgende städtische Ämter anzutragen! Wir wünschen, dass Ihr das Amt des Obersten Richters bekleidet. Und wir wünschen, dass Ihr als Kapitän-General den Oberbefehl über unsere Streitkräfte übernehmt! Und nun erklärt Euch, Don Hernán Cortés – aber hurtig, denn die Wolke da oben sieht aus wie ein riesengroßer Arsch, der in Kürze über uns allen explodieren wird. Nehmt Ihr die Ernennung zum Obersten Richter und Obersten Militärkommandanten von Villa Rica de la Vera Cruz an?«
Cortés reckt sein Kinn vor. »Ich danke der Ratsversammlung für das Vertrauen, das sie mir entgegenbringt.« Er legt die linke Hand auf sein Herz und nimmt Haltung an. »Ich nehme die Ernennung an!«
Die Männer auf dem Platz brechen in ohrenbetäubende Jubelschreie aus. Sie schlagen sich gegenseitig mit den Fäusten auf die Arme, packen einander bei den Schultern und schütteln und rütteln sich vor übermächtiger Freude.
Mir geht es nicht anders – auch ich kann mich vor Glück und Erleichterung kaum fassen, während ich endlich zum Strand hinunterlaufe. Unser Herr hat das Kommando wieder übernommen!, sage ich mir. Ob die Truppe, die er anführt, nun »Expedition« oder »Streitkräfte von Vera Cruz« heißt – Hauptsache ist doch, dass er unser aller Schicksal wieder in seine Hände genommen hat!
So versuche ich, mir die Dinge zurechtzulegen, während ich Juan de Escalante und seine Männer begrüße. Escalante stammt wie Cortés aus Medellín und gehört zu jenen Männern, die fürunseren Herrn durchs Feuer gehen würden. Ich steige ins Boot und in rascher Fahrt segeln wir die Küste wieder hinab gen Süden. Doch währenddessen vermischt sich mein Glücksgefühl mehr und mehr mit Unbehagen. Was werden Montejo, Morla und die anderen Velazquez-Getreuen sagen, wenn sie von ihrer Erkundungsfahrt zurückkehren und feststellen müssen, dass sich unsere Expedition in eine Stadt verwandelt hat?
Dann kommt die Bucht mit unserer Schiffsflotte in Sicht und ich vergesse alle Grübeleien. Gleich werde ich Carlita wiedersehen! Ich werde ihr die Halskette umlegen. Ich werde meine Arme um sie schließen und ihr Herz auf meinem fühlen und ihre Lippen auf meinem Mund. Yolehua!
- 5 -
Wir sind jetzt eine Stadt – und trotzdem setzen wir uns am nächsten Tag neuerlich in Marsch. Unser Ziel ist die Bucht, die Montejo und seine Männer mit der Brigantine ausfindig gemacht haben, etwa dreißig Meilen weiter nach Norden. Dort wollen wir die Stadt Vera Cruz nun tatsächlich in Holz und Stein errichten – mit einem Marktplatz und einer Kirche, mit Straßen und Häusern und einer unbezwingbaren Mauer darum herum.
Wir marschieren eine befestigte Straße entlang, die parallel zur Küste verläuft. Gerade ist wieder einmal ein Sturzregen niedergegangen, und das Regenwasser fließt nach rechts ins Mangrovendickicht und linker Hand auf die fruchtbaren Felder ab, die sich Meile um Meile an der Straße dahinziehen.
Es ist wahrlich ein reiches Land, sage ich mir. Selbst wenn Cortés nun doch noch beschließen sollte, dass wir uns dort oben an der Küste einfach als Hazienderos niederlassen – ich würde mit meinem Schicksal nicht hadern.
Jedenfalls kommt es mir in diesen glücklichen Stunden so vor. Carlita ist bei mir. Ich schaue sie von der Seite an, und ein Leuchten scheint von ihr auszugehen – von ihren großen Augen, vondem Lächeln ihrer schön geschwungenen Lippen. Um den Hals trägt sie die Goldkette mit dem Kruzifix, dessen Streben beinahe so zart wie Schmetterlingsfühler sind. »Fray Bartolomé hat alles erklärt«, hat sie vorhin, noch auf der Santa Maria , zu mir gesagt. »In eurem Glauben ich wiedergefunden habe, was scheinbar für immer verloren: die Göttin der Liebe, die ihr Maria nennt! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich glücklich bin!«
Ich starrte sie mit offenem Mund an. Wie gut sie Spanisch zu sprechen gelernt hat – in
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