Goldfieber
hereingebrochen. Der flackernde Feuerschein spiegelt sich in der goldenen Figur, es sieht beinahe so aus, als ob sie selbst in Flammen stünde.
»Ich mache dir keinen Vorwurf«, antwortet unser Herr. »Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend, aber das hier ist schließlich nur ein Götzenbild.« Er macht eine wegwerfende Handbewegung. »Es gibt nur einen einzigen, allmächtigen Gott«, erklärt er den Totonaken. »Maria war nur eine sterbliche Frau, die den Gottessohn geboren hat.«
Sturmbezwinger und die drei anderen Totonaken wechseln verwirrte Blicke. Sie besprechen sich untereinander, und ich spüre die Aufregung, die sich ihrer bemächtigt. »Dieser Gottessohn, von dem Ihr gesprochen habt«, wendet sich Sturmbezwinger schließlich wieder an Cortés, »er ist doch gewiss auch ein Gott? Und Maria ist also eine Frau, die einen Gott zur Welt gebracht hat – also muss auch sie weit mehr als nur eine gewöhnliche Sterbliche sein! Auch Ihr glaubt also an mindestens drei Götter, und wahrscheinlich noch ein paar mehr. Gebt Ihr mir recht, Herr?«, fügt er erneut mit einem bittenden Lächeln hinzu.
»Eine Kugel in deinen verlausten Pelz gebe ich dir gleich!«, donnert Portocarrero. »Oder einen Strick um deinen dreckigen Hals! Wie lange sollen wir uns noch anhören, wie dieser Teufel unseren Glauben verhöhnt? Dieser gefiederte Brüllaffe!«, brüllt Portocarrero in die Nacht hinaus.
Sandoval legt dem »Dröhnenden« eine Hand auf den Arm. »Er verhöhnt uns nicht, Alonso«, sagt er. »Und wenn ihr mich fragt – das Lächeln dieser Göttin da kann dem Satan unmöglich gefallen. Seht sie euch doch an – was für eine Sanftheit und Güte und selbstlose Liebe sie ausstrahlt!«
Der »Tollkühne« unterbricht sich und schaut sichtlich verlegenum sich. »Ihr wisst genau, dass ich sonst kein Freund gefühlvollen Geschwatzes bin«, setzt er aufs Neue an und deutet mit dem Kopf zu der goldenen Figur. »Aber wo ein solches Lächeln leuchtet, da hat der Teufel sein Spiel verloren!«
Cortés und Alvarado wechseln erstaunte Blicke. Portocarrero glotzt Sandoval mit hervorquellenden Augen an, zieht es aber glücklicherweise vor, keine weiteren Flüche anzubringen. Auch Carlita kommt mir ziemlich durcheinander vor. Sie sitzt so nah neben mir, dass sich unsere Knie berühren. So spüre ich ganz genau, wie sie vor innerer Bewegung erbebt. Sie greift nach meiner Hand und sieht mich von der Seite beschwörend an. Aber ich schüttele verstohlen den Kopf. Auch sie hat ja vorhin zu Diego und mir gesagt, dass unsere Gottesmutter Maria und die Indianergöttin Xochiquetal für sie ein und dasselbe sind. Doch warum gerade diese goldene Göttin sie derart in Aufregung versetzt, soll sie mir lieber erzählen, wenn uns niemand zuhören kann.
»Übersetze Sandovals Worte, Marina!«, befiehlt unser Herr. »Natürlich nur das, was er über das Lächeln des Götzenbildes gesagt hat.«
Marina dolmetscht. Währenddessen wendet sich Cortés dem »Tollkühnen« zu und behält weiter die goldene Göttin im Blick. »Ich gebe dir recht, Gonzalo«, fährt er fort. »Und damit stimme ich in gewisser Weise auch unserem Freund Sturmbezwinger zu. Heidenvölker, die eine gütige Götzin wie diese hier anbeten, lechzen förmlich danach, zum christlichen Glauben bekehrt zu werden. Ganz anders verhält es sich aber offenbar mit den Azteken. Sie verehren grausame, blutdurstige Götzen. Schon allein ein Lächeln wie dieses hier, das Sanftmut und Güte ausstrahlt, ist ihnen so verhasst, dass sie gar nicht anders können, als es mit Hohn und Schmutz zu besudeln.«
Cortés beugt sich zur Seite, nimmt das goldene Bildnis auf und hält es sich nah vor sein Gesicht, als wollte er die lächelnde Göttin küssen. »Montezuma und seine Azteken sind dem Satanverfallen«, sagt er in abschließendem Tonfall, »und deshalb ist es unsere heilige Christenpflicht, diesen obersten Teufelspriester von seinem Thron in Tenochtitlan zu stürzen.«
- 7 -
Von unserem Nachtlager am Fluss ist es nur noch ein Tagesmarsch bis zu der Bucht, an der wir Vera Cruz errichten wollen. Doch in aller Frühe, als wir uns erneut am Lagerfeuer versammeln, verkündet Cortés, dass wir einen Umweg machen werden.
»Wir wollen unsere Stadt an einer Bucht erbauen«, erklärt er, »die der Totonaken-König Pazinque als Teil seines Herrschaftsgebietes ansieht. Daher gebietet es die Klugheit mehr noch als die Höflichkeit, ihn persönlich um seine Unterstützung zu bitten.«
»Unser Herrscher wird
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