Goldfinger
hätten, würde man weitermachen. Bond hatte sich von Du Pont Goldfingers Zimmernummer geben lassen und einen Hauptschlüssel verlangt, den er im Garten erhalten sollte. Entspannt blickte Bond aufs Meer hinaus. Das war genau die Art Auftrag, die er brauchte, um diesen mexikanischen Nachgeschmack loszuwerden.
Um halb zehn verließ Bond seine Zimmer, schlenderte durch die Korridore und prägte sich, scheinbar den Lift suchend, den Hotelgrundriß ein. Unten sah er sich unauffällig um und trat dann, wie verabredet, in den Garten hinaus. Mr. Du Pont, jetzt in Strandaufmachung von Abercrombie & Fitch, dem Geschäft für exklusive Sportartikel, steckte ihm den Schlüssel zu, wonach beide zum Cabana Club hinüberpromenierten und die zwei kurzen Treppen zum Flachdach hinaufstiegen.
Der Anblick, den Mr. Goldfinger bot, machte Bond staunen. Ganz hinten auf dem Dach, gerade unter dem Hotelmassiv, lag, die Beine auf einem Deckstuhl, ein nur mit gelbem Satinslip bekleideter Mann mit Sonnenbrille und einem Paar großer Blechflügel unterm Kinn. Diese ragten in Form einer Halskrause über die Schultern hinaus und waren an ihren runden Enden leicht aufgebogen.
»Was hat denn der um den Hals?« fragte Bond.
»Noch nie gesehen?« Mr. Du Pont war überrascht. »Es hilft beim Braunwerden. Das Blech reflektiert die Sonne unters Kinn und hinter die Ohren, wo man sonst nie braun wird.«
Sobald sie bis auf wenige Meter heran waren, rief Mr. Du Pont fröhlich und mit überlauter Stimme: »Hallo, Sie da!«
Aber Mr. Goldfinger regte sich nicht.
»Er ist schwerhörig«, sagte Du Pont erklärend. Sie standen nun direkt vor ihm, und Du Pont wiederholte seinen Ruf.
Goldfinger fuhr in die Höhe und riß die Sonnenbrille vom Kopf: »Was ist? Ach,
Sie sind’s!« Er nahm die Flügel ab, legte sie vorsichtig hin und stand schwerfällig auf. Dann blickte er Bond prüfend an.
»Ich möchte Ihnen hier Mr. James Bond vorstellen, einen Freund aus New York und Landsmann von Ihnen. Ist extra hergekommen, um mir ein Geschäftchen einzureden.«
Mr. Goldfinger streckte die Hand aus: »Freut mich, Sie zu sehen, Mr. Bond.« Die Hand war hart und trocken und wurde sofort wieder zurückgezogen. Für einen Moment weiteten sich die hellblauen Augen zu einem so harten Blick, daß er durch das Gesicht in Bonds Hinterkopf einzudringen schien. Gleich darauf schirmten die Lider diesen Röntgenblick wieder ab.
»Dann spielen wir heute nicht.« Die Summe war flach und ausdruckslos, der Satz eher Feststellung als Frage.
»Was heißt das?« protestierte Mr. Du Pont. »Glauben Sie, ich verzichte so leicht auf mein Geld? Wie soll ich denn sonst fortkommen aus diesem verdammten Hotel!« Er lachte. »Sam wird den Tisch gleich aufstellen, und überdies möchte James das Spiel erlernen, er versteht nicht viel von Karten, nicht wahr, James? Ihnen genügen ja die Zeitung und die Sonne!«
»Nur zu gern«, sagte Bond. »Nach dieser Reise -«
Wieder der bohrende Blick, der sich aber gleich wieder senkte: »Ich will nur etwas anziehen. Hatte eigentlich vor, heute nachmittag im Boca Raton bei Mr. Armour eine Golfstunde zu nehmen, aber die Karten sind mir lieber. Meine Unart, die Handgelenke beim Gebrauch der leichten Schläger zu früh zu entspannen, wird sich gedulden.« Dann, mit einem gleichgültigen Blick auf Bond: »Spielen Sie Golf, Mr. Bomb?«
»Gelegentlich, in England.«
»Und wo?«
»Huntercombe.«
»Ah - kenn’ ich. Hübsch dort. Ich bin neulich dem Royal St. Marks beigetreten. Bin unweit von Sandwich an einem Unternehmen beteiligt. Kennen Sie den Klub?«
»Hab’ schon dort gespielt.«
»Nein, so was! Wir müssen mal spielen.« Mr. Goldfinger bückte sich nach seinen Blechflügeln. »In fünf Minuten bin ich wieder da«, sagte er und ging langsam auf die Treppe zu.
Ein Steward in weißer Jacke nahm Mr. Du Ponts Anweisungen entgegen, zwei weitere waren dabei, den Kartentisch aufzuschlagen. Bond blickte in den Garten und überlegte. Der Mann hatte ihn beeindruckt. Das war einer der ausgeglichensten Menschen, die er je getroffen hatte. Maßvoll in den
Bewegungen, in der Sprache, im Ausdruck. Keinerlei Vergeudung von Energie. Und doch: Als Goldfinger sich erhoben hatte, war Bond sogleich aufgefallen, wie an diesem Mann nichts zueinander paßte. Er war höchstens einssechzig. Auf dem dicken Rumpf mit den plumpen, bäurischen Beinen saß nahezu halslos ein übergroßer, kugelrunder Kopf. Als hätten die einzelnen Körperpartien früher verschiedenen Männern
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