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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dem College und hatte vor, nach seiner Rückkehr ganz für seinen Vater zu arbeiten. Donovan liebte die Firma mehr als jeder andere. Guy dagegen war der Unruhestifter. Das war offenbar seine Rolle.«
    »Glauben Sie wirklich, daß Jack etwas mit Guys Tod zu tun haben könnte?«
    »Eigentlich will ich es nicht glauben, aber ich weiß, daß er sich von Guy im Stich gelassen fühlte. Jack ist ein Loyalitätsfanatiker. Das war er schon immer.«
    »Tja, das ist aber interessant«, sagte ich. »Denn als ich zum ersten Mal hier war, hat er in etwa das gleiche gesagt. Er war auf dem College, als Guy wegging, stimmt’s?«
    Enid schüttelte den Kopf. »Das hätte keine Rolle gespielt. Nicht für ihn. Jack fand irgendwie, daß Guy ihn hätte mitnehmen sollen, als er zu seinem großen Abenteuer aufbrach.«
    »Er betrachtete also Guys Verschwinden als Verrat.«
    »Ja, natürlich. Jack ist schrecklich abhängig. Er hat noch nie einen Job gehabt. Er hat ja noch nicht einmal eine Freundin gehabt. Er hat so gut wie überhaupt kein Selbstwertgefühl, und das laste ich seinem Vater an. Bader hat sich nie die Mühe gemacht, ihnen beizubringen, daß sie etwas wert sind. Ich meine, sehen Sie sich doch die Tatsachen an. Keiner von ihnen ist je von zu Hause weggegangen.«
    »Das kann nicht gesund sein.«
    »Es ist eine Schande. Erwachsene Männer?« Sie machte die Büchse Olivenöl auf und goß einen Schuß davon in den Soßentopf, während sie die Flamme aufdrehte. Dann nahm sie das Schneidbrett von der Arbeitsfläche, stützte es mit der Kante auf den Topf und strich den Knoblauch hinein. Aus dem Topf ertönte ein Zischen, gefolgt von einer Dampfwolke mit Knoblauchgeruch.
    »Was ist denn nun mit den Schuhen passiert? Wo sind sie aufgetaucht?«
    Sie hielt inne, um die Flamme zu regulieren, und legte das Brett wieder auf die Arbeitsfläche, wo sie sich eine Zwiebel nahm. Die Schale war dünn wie Papier und knisterte leise, als Enid sich ans Werk machte. »Ganz unten in einer Schachtel. Können Sie sich noch an die Kisten mit Baders Kleidung erinnern, die Christie gepackt hat? Sie standen vorne auf der Veranda. Der Lastwagen von der Altkleiderverwertung ist gestern in aller Herrgottsfrühe zum Abholen gekommen.«
    »Noch bevor die Leiche entdeckt wurde?«
    »Bevor überhaupt irgend jemand aufgestanden war. Ich weiß nicht, wie ich auf den Zusammenhang gekommen bin. Irgendwie kam mir der Gedanke — wenn die Schuhe nicht hier auf dem Grundstück waren, mußten sie woanders sein.«
    »Wie ist Ihnen eingefallen, wo sie genau waren?«
    »Tja, einfach so. Ich habe gerade die Spülmaschine beladen und dabei ein bißchen vor mich hin gesummt, wissen Sie, und peng, auf einmal wußte ich es.«
    »Das ist mir auch schon passiert. Es ist fast, als würde das Gehirn von selbst einen Sprung machen.«
    Enid warf mir einen Blick zu. »Genau. Er muß gemerkt haben, daß er auf dem Teppich oben einen Schuhabdruck hinterlassen hat.«
    »Haben Sie ihn selbst gesehen?«
    »Nein, aber Myrna sagt, sie hat ihn gesehen, als sie in Guys Zimmer gegangen ist.« Enid hielt inne und schüttelte den Kopf. »Ich weigere mich zu glauben, daß er es getan hat.«
    »Es ist auch schwer zu glauben«, sagte ich. »Ich meine, theoretisch muß er Guy umgebracht, den Fußabdruck gesehen, die Schuhe ausgezogen und sie auf dem Weg aus dem Haus in die Kiste gestopft haben. Er hat Glück gehabt — zumindest bildete er sich das ein.«
    »Sie klingen nicht überzeugt.«
    »Ich habe nur Schwierigkeiten, es mir vorzustellen. Jack kommt mir nicht so vor, als würde er über Leichen gehen. Stört Sie das nicht auch?«
    Sie überlegte kurz und tat es dann mit einem Achselzucken ab. »Ein Mörder muß sich eben auf sein Glück verlassen, nehme ich an. Man kann nicht alles planen. Man muß improvisieren.«
    »Tja, in diesem Fall hat es nicht geklappt.«
    »Wenn er es gewesen ist«, sagte sie. Sie nahm eine Dose in die Hand und hielt sie unter den elektrischen Dosenöffner. Sie drückte einen Hebel und sah zu, wie die Dose sich drehte, während die rotierenden Klingen fein säuberlich den Deckel abtrennten. Küchen sind gefährlich, dachte ich beim Zusehen beiläufig. Was für ein Arsenal — Messer und Flammen und all die Spieße, Fleischklopfer und Nudelhölzer. Die durchschnittliche Hausfrau verbringt gewiß ein Gutteil ihrer Zeit damit, zufrieden die zu ihrer Aufgabe gehörenden Werkzeuge zu betrachten: Geräte, die zerquetschen, pulverisieren, mahlen und pürieren; Utensilien, die

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