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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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stechen, schneiden, zerteilen und entbeinen.
    Enid wandte mir wieder den Blick zu. »Glauben Sie an Geister?«
    »Nein, natürlich nicht. Warum fragen Sie?«
    Sie sah in eine Ecke der Küche, wo ich nun zum ersten Mal eine Treppe bemerkte. »Gestern bin ich nach oben gegangen, um Wäsche zu verstauen. Da war ein Wesen im Flur. Ich wollte nur wissen, ob Sie an so etwas glauben.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf und dachte dabei an die Kälte in der Luft und das Klingeln in meinen Ohren.
    »Es riecht jedenfalls nach Tier, irgendwie feucht und unsauber. Es ist sehr seltsam«, sagte sie.

17

    Ich fuhr kurz nach eins bei den Maleks weg. Auf dem Nachhauseweg entdeckte ich an einer Tankstelle eine Telefonzelle. Ich bog ab und parkte. Vor der Servicebucht hatte eine Gruppe Jugendlicher von der hiesigen alternativen High School einen Autowaschdienst organisiert. Dem handgeschriebenen Schild zufolge kostete die Wäsche fünf Dollar, und der Erlös sollte für einen Ausflug nach San Francisco verwendet werden. Es war kein einziger Kunde in Sicht. Eimer voller Seifenwasser standen bereit, und die Kids schienen vor Langeweile kurz davor zu sein, sich gegenseitig mit Schläuchen abzuspritzen. Wenn ich Glück hatte, kam ich nicht in die Schußlinie.
    Ich schlug Paul Trasatti im Telefonbuch nach. Es waren zwei Nummern aufgeführt: die eine unter einer Wohnadresse in der Hopper Road, die andere — ohne Anschrift — einfach unter Paul Trasatti, seltene Bücher. Ich fand eine Handvoll Kleingeld unten in meiner Handtasche und warf Münzen in die Schlitze. Zuerst wählte ich die Geschäftsnummer, weil ich es für wahrscheinlicher hielt, daß ich ihn in seinem Laden erreichen würde. Trasatti nahm ab, als sein Telefon noch nicht ein einziges Mal vollständig geklingelt hatte.
    »Trasatti«, sagte er knapp. Er klang wie ein Mann, der auf einen Anruf gewartet hatte, in dem die Übergabemodalitäten für das Lösegeld genannt werden sollten.
    »Mr. Trasatti, mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektivin und arbeitete für Jack Maleks Anwalt. Sie wissen, daß Jack verhaftet worden ist?«
    »Ich habe es heute morgen erfahren. Ich habe angerufen, weil ich Jack sprechen wollte, und seine Schwägerin hat mir erzählt, daß sie ihn kurz zuvor mitgenommen haben. Hat sie gesagt, daß Sie mich anrufen sollen?«
    »Nein, nein. Eigentlich nicht. Ich —«
    »Woher haben Sie meine Nummer?«
    »Ich habe sie im Telefonbuch nachgeschlagen. Ich brauche eine Auskunft, und ich dachte, daß Sie mir vielleicht helfen könnten.«
    »Was für eine Auskunft?«
    »Wenn ich mit Lonnie Kingman spreche, will er bestimmt wissen, was Jack an dem besagten Abend gemacht hat.«
    »Warum kann er das nicht Jack fragen?«
    »Das wird er sicher tun«, sagte ich, »aber wir brauchen jemanden, der Jacks Angaben bestätigt. Christie sagt, er hätte Sie am Dienstag abend mit in den Country Club genommen. Stimmt das?«
    Er zögerte nur ganz kurz. »Das stimmt. Er hat mich nach dem Abendessen abgeholt. Ehrlich gesagt habe ich dann mit ihm Plätze getauscht. Er war zu angeheitert. Aber das sage ich ganz im Vertrauen, klar?«
    »Ich bin keine Journalistin, aber natürlich. Wir können es vertraulich behandeln, zumindest im Moment«, sagte ich. »Angeheitert — heißt das betrunken?«
    »Sagen wir einfach, daß wir uns in diesem Fall auf mich als Fahrer geeinigt haben.«
    Ich schloß die Augen und horchte auf das Unausgesprochene, während auf der Straße hinter mir in beiden Richtungen Autos vorbeifuhren. »Haben Sie am selben Tisch gesessen?«
    »Die Tische waren reserviert. Wir hatten festgelegte Plätze«, sagte er. Er hielt sich so bedeckt wie ein Politiker. Was wurde hier gespielt?
    »Das habe ich nicht gefragt. Ich wollte wissen, ob Sie seine Anwesenheit auf der Auslosungs-Party bestätigen können.«
    Ein kurzes, höchst merkwürdiges Schweigen folgte. »Kann ich Sie etwas fragen?« sagte er.
    »Was denn?«
    »Wenn Sie für diesen Anwalt arbeiten... wie hieß er noch mal?«
    »Lonnie Kingman.«
    »Okay, also diesen Kingman. Ich weiß, daß er nichts weitergeben darf, was zwischen ihm und Jack gesprochen wird, aber wie steht’s mit Ihnen? Gilt das auch für Sie?«
    »Unser Gespräch unterliegt nicht der Schweigepflicht, falls Sie das meinen. Alles, was für Jacks Verteidigung wichtig ist, gebe ich an Lonnie weiter. Das ist mein Auftrag. Und man kann mir Dinge anvertrauen. Sonst hätte ich meinen Beruf schon an den Nagel hängen müssen«, sagte ich. »Haben Sie

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