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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Müdigkeit machten langsam der Entspannung Platz. Meine Muskeln wurden geschmeidig, und der Schweiß lief mir übers Gesicht. Seihst das Brennen in meinem Brustkorb fühlte sich gut an, weil mein Körper dabei mit Sauerstoff überflutet wurde. Am Ende meines Dauerlaufs warf ich mich ins Gras, wo ich keuchend liegenblieb. Mein Kopf war wie leergefegt. Schon bald ging mein Atem wieder ruhiger, und die vom Joggen erzeugte Hitze in meinem Körper ebbte ab. Ich machte ein paar Stretching-Übungen und stand dann auf. Auf dem Nachhauseweg merkte ich, daß die Santa-Ana-Winde zurückgekehrt waren und die Berghänge herabwehten. Ich duschte und zog ein frisches T-Shirt und Jeans an.
    Dietz und ich aßen bei Rosie zu Abend. William arbeitete auch heute hinter der Bar. Für ihn mit seinen Siebenundachtzig war das wie der Einstieg in einen neuen Beruf. Seit ihrer Hochzeit hatten sich die beiden einen bequemen Arbeitsablauf zurechtgelegt. Rosie übertrug ihm offenbar immer mehr Führungsaufgaben. Sie hatte stets strenge Kontrolle über das Tagesgeschäft ausgeübt, aber William hatte sie dazu überredet, anständige Löhne zu bezahlen, und so konnte sie besseres Personal einstellen. Außerdem hatte sie begonnen, Verantwortung abzugeben, wodurch sie mehr Zeit mit ihm verbringen konnte. William hatte sich einige seiner eingebildeten Krankheiten abgewöhnt, und sie hatte ein wenig von ihrer diktatorischen Ader abgelegt. Ihre Zuneigung füreinander war nicht zu übersehen, und ihre gelegentlichen Zankereien schienen ohne Folgen zu verfliegen. Dietz unterhielt sich mit William über Deutschland, doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu und fragte mich, ob wir beide jemals zu einer Einigung finden würden. Ich stellte mir Dietz mit Siebenundachtzig vor und mich mit vergleichsweise jugendlichen Zweiundsiebzig; als Rentner von den Belastungen der Arbeit als Privatdetektive befreit, von Arthritis geplagt, unserer Zähne beraubt. Was würden wir machen — eine Schule für Privatdetektive eröffnen?
    »Woran denkst du? Du guckst so komisch«, sagte Dietz.
    »Nichts. An den Ruhestand.«
    »Lieber fresse ich meine Pistole auf.«
    Als es an der Zeit war, ins Bett zu gehen, erbot sich Dietz, die Wendeltreppe hinaufzuhumpeln. »Mein Knie bringt mich schon wieder um, also bin ich wahrscheinlich zu nichts zu gebrauchen, außer zur Gesellschaft«, sagte er.
    »Bleib lieber unten. Mein Bett ist nicht groß genug, schon gar nicht bei deinem Zustand. Ich würde nur die ganze Zeit wach liegen und befürchten, dich an einer falschen Stelle zu stoßen.«
    Ich ließ ihn unten stehen, wo er das Bettsofa aufklappte, während ich die Treppe hinaufstieg und übers Geländer hinweg mit ihm redete.
    »Letzte Gelegenheit«, sagte er und lächelte zu mir hinauf.
    »Ich weiß nicht, ob es klug wäre, mich an dich zu gewöhnen.«
    »Du solltest es ausnutzen, solange du kannst.«
    Ich hielt inne und blickte hinab. »Das ist, kurz gefaßt, der Unterschied zwischen uns, Dietz.«
    »Daß ich im Augenblick lebe?«
    »Daß dir das reicht.«

    Gleich am Freitag morgen nahm Dietz seinen Wagen und fuhr zu den Geschäftsräumen des Santa Teresa Dispatch hinüber, während ich mich auf den Weg zu Paul Trasattis Haus machte. Die Hopper Road lag auf halbem Weg zwischen dem Malekschen Anwesen und dem Country Club. Es war ein kleines Viertel mit von Ulmen gesäumten, schattigen Straßen. Das Haus war im Stil eines kleinen englischen Landhäuschens gebaut, so wie sie auf Spielkarten abgebildet sind: grauer Stein mit einem strohgedeckten Dach, das sich dort, wo der Giebel anfing, wie eine Meereswoge wellte. Die Fenster hatten kleine Scheiben aus Bleiglas, Rahmen und Läden waren aus weißgestrichenem Holz. Zwei schmale gemauerte Schornsteine umklammerten das Haus wie ein Paar identische Buchstützen. Der Vorgarten war von einem weißen Lattenzaun umgeben, und rosafarbene und rote Stockrosen wuchsen neben dem Eingang. Der kleine Garten war makellos; eine dichte Wiese, von kleinen Blumenbeeten durchsetzt, säumte den gepflasterten Weg zur Haustür. Vögel zwitscherten in den jungen Eichen, die an der Ecke des Grundstücks standen.
    Ich hatte natürlich am Abend zuvor angerufen, weil ich sichergehen wollte, daß Trasatti auch zu Hause wäre. Schon auf der Veranda konnte ich Eier mit Speck und den Duft von Ahornsirup riechen. Mein begehrlicher Seufzer war vermutlich über dem Lärm, den der Rasenmäher zwei Häuser weiter machte, nicht zu hören. Nachdem ich geklingelt hatte, machte mir

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