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Goldgrube

Goldgrube

Titel: Goldgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Anspannung. Gehört eines der Autos dort draußen Myrna?«
    »Der Toyota«, sagte sie. Sie blieb vor einer Tür am Ende des Korridors stehen. »Das hier ist ihres.«
    »Haben Sie noch einmal an ihre Tür geklopft, seit wir telefoniert haben?«
    Enid schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich habe mir selbst Angst eingejagt. Ich wollte nichts mehr tun, bevor Sie kämen.«
    »Mein Gott, Enid. Jetzt jagen Sie mir aber auch Angst ein«, sagte ich. Ich klopfte an die Tür, den Kopf gegen das Holz gelehnt, und lauschte auf Geräusche, die darauf hinweisen könnten, daß Myrna zurückgekommen war. Ich wollte nur ungern hineinplatzen. Sie könnte ja ein Nickerchen machen oder nackt sein, weil sie gerade aus der Dusche kam. Ich wollte sie weder ohne Gebiß noch mit abgeschnalltem Holzbein überraschen. Ich klopfte erneut mit nur einem Knöchel. »Myrna?«
    Völlige Stille.
    Ich probierte den Türknauf, der sich widerstandslos drehen ließ. Ich öffnete die Tür einen Spalt weit und spähte um sie herum. Das Wohnzimmer war leer. Mir gegenüber lag die offenstehende Tür zum Schlafzimmer, und auch dieser Raum wirkte leer. »Myrna, sind Sie da? Hier ist Kinsey Millhone«, rief ich. Ich wartete einen Augenblick und durchquerte dann das Zimmer. Im Vorbeigehen legte ich eine Hand auf den Fernseher, aber das Gehäuse war kalt.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie nicht da ist«, sagte Enid.
    Ich warf einen Blick ins Schlafzimmer und sah gleich, warum Enid das Gefühl hatte, daß etwas nicht stimmte. Oberflächlich betrachtet wirkten beide Räume ordentlich und unberührt, aber dennoch war ich irritiert. Es waren die kleinen Dinge, die Feinheiten. Das Bett war gemacht, doch die Decke war nicht ganz glattgezogen. Ein Bild an der Wand hing leicht schief.
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?« Ich beugte mich hinab und spähte unters Bett, wobei ich mir wie ein Idiot vorkam. Darunter war nichts zu sehen, außer einem Paar alter Pantoffeln.
    »Muß um die Mittagszeit gewesen sein.«
    »War Bennet um diese Zeit hier?«
    »Keine Ahnung. Er war weg, als ich vom Einkaufen zurückkam. Weiter weiß ich nichts.«
    Im Wohnzimmer saß der Lampenschirm schief auf der Stehlampe, und an den Kerben im Teppich war eindeutig zu erkennen, daß ihr Fuß verschoben worden war. Hatte es ein Gerangel gegeben? Ich sah in den Schrank. Enid folgte mir wie ein Kind, immer drei Schritte hinterher, und fühlte sich vermutlich ebenso unbehaglich wie ich dabei, hier einzudringen.
    »Können Sie sehen, ob alle ihre Sachen da sind? Fehlt etwas? Schuhe? Ein Mantel?«
    Enid musterte die Kleiderstange. »Ich glaube, es ist alles da«, sagte sie und deutete dann auf etwas. »Da sind ihre Koffer und ihr Kleidersack.«
    »Was ist mit ihrer Handtasche?«
    »Die steht in der Küche. Ich wußte, Sie würden danach fragen, deshalb habe ich sie aufgemacht. Es fehlt nichts.«
    Ich betrat das Badezimmer. Unter meinem Schuh hörte ich ein leises Knacken, gefolgt von der Art Knirschen, die einen an zerbrochenes Glas auf Keramikfliesen denken läßt. Ich sah nach unten und entdeckte einen Brösel getrockneter Erde, wie von einer Schuhsohle abgefallen, und zwei winzige Stückchen Kies. »Seien Sie vorsichtig. Ich möchte nicht, daß wir hier etwas verändern«, sagte ich zu Enid, die dicht hinter mir ins Bad spähte.
    »War hier jemand drinnen?«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber es könnte sein.«
    »Es sieht aus, als hätte jemand aufzuräumen versucht und sich dabei nicht besonders geschickt angestellt«, sagte sie. »Myrna hat immer einen Zettel hingelegt, wenn sie weggegangen ist. Sie würde nicht sang- und klanglos verschwinden.«
    »Quasseln Sie nicht soviel. Ich versuche mich zu konzentrieren.«
    Ich studierte das Medizinschränkchen. Sämtliche gängigen Toilettenartikel standen noch auf den Borden: Zahnbürste, Zahnpasta, Deodorant, alle möglichen Schminkutensilien, rezeptpflichtige Medikamente. Der Duschvorhang war knochentrocken, aber ein dunkelblauer Waschlappen war über den Rand des Duschbeckens gelegt und vor kurzem benutzt worden. Ich besah mir das Becken genauer. Um die schmale Messingarmatur für den Abfluß war ein wenig Wasser stehengeblieben. Wenn mich mein Blick nicht trog, war es ganz leicht rosa gefärbt. Ich nahm den Waschlappen und drückte ein bißchen der darin verbliebenen Flüssigkeit aus. Ein hellroter Spritzer hob sich gegen das Weiß des Beckens ab. »Rufen Sie lieber 911. Das hier ist Blut«, sagte ich.
    Während Enid sich auf den Weg machte, um

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