Goldgrube
dem sein Schädel brach und zerfiel. Der arme Guy. Ich hoffte nur, er war nicht aufgewacht, bevor ihn der erste Schlag traf. Ich hoffte, er schlief, bevor sein Schlaf endgültig wurde.
Das Klingeln in meinen Ohren hielt an und steigerte seine Intensität wie das Heulen eines Sturms. Panik ergriff mich. Gelegentlich durchleide ich dieses Szenario in Alpträumen — den unbezwingbaren Drang davonzurennen, mich aber nicht rühren zu können. Ich mühte mich, einen Laut auszustoßen. Ich hätte schwören können, daß da irgendein Wesen war, etwas oder jemand, der kurz innehielt und dann vorbeiging. Ich versuchte, die Augen zu öffnen, beinahe überzeugt davon, daß ich Guy Maleks Mörder die Treppe herunterkommen sehen würde. Mein Herzschlag beschleunigte sich zu lebensbedrohlicher Geschwindigkeit und toste in meinen Ohren wie das Geräusch hastender Füße. Ich schlug die Augen auf. Der Lärm brach auf der Stelle ab. Nichts. Niemand. Die gewohnten Geräusche des Hauses gewannen wieder die Oberhand. Die Fläche vor mir war frei. Polierter Fußboden. Leerer Flur. Strahlendes Licht vom Kronleuchter. Als ich in den Flur zurückblickte, konnte ich sehen, das das X der Tatortabsperrung einfach wieder Klebeband war. Ich ließ mich auf die Stufen sinken. Das Erlebnis hatte sicher weniger als eine Minute gedauert, doch der Adrenalinstoß hatte meine Hände zum Zittern gebracht.
Schließlich erhob ich mich von der Treppe, auf der ich weiß Gott wie lang gesessen hatte. Von irgendwo unten vernahm ich ein Gewirr aus männlichen und weiblichen Stimmen, und ich wußte sofort, daß Donovan, Bennet und Jack vom Polizeirevier zurückgekommen waren und das Haus betreten hatten, als ich noch in Baders Arbeitszimmer war. Die Tür zur Bibliothek unter mir stand offen. Tasha und Christie mußten sich zu den dreien gesellt haben. Von der Küche her konnte ich das Klirren von Eiswürfeln und Flaschen hören. Schon wieder Trinkzeit. Jeder im Haus schien neben einer ausgedehnten psychiatrischen Behandlung Alkohol zu benötigen.
Ich setzte meinen Abstieg fort, bemüht, nicht der Familie in die Arme zu laufen. Ich kehrte in die Bibliothek zurück, spähte vorsichtig hinein und fand den Raum zu meiner Erleichterung leer vor. Ich packte meine Tasche, stopfte die Mappe ins Außenfach und schlich mich mit immer noch pochendem Herzen zur Haustür. Ich zog sie mit Sorgfalt hinter mir zu, um das Geräusch des zuschnappenden Schlosses zu dämpfen. Ich konnte nicht anders, als mich unbemerkt aus dem Staub zu machen. Nach meinem Erlebnis auf der Treppe — was immer es auch war — sah ich mich außerstande, oberflächliche Konversation zu treiben. Es schien mir nicht abwegig, daß jemand in diesem Haushalt Guy Malek ermordet hatte, und ich würde garantiert nicht gute Miene zum bösen Spiel machen, bevor ich wußte, wer es gewesen war.
15
Als ich wieder in meinem Viertel ankam, waren Parkplätze Mangelware, und ich mußte meinen VW fast einen Häuserblock weit weg abstellen. Ich schloß den Wagen ab und trottete zu meiner Wohnung. Mittlerweile war es völlig dunkel, und ein kaltes Frösteln bebte in den Bäumen wie Wind. Ich verschränkte die Arme, um es wärmer zu haben, und umfaßte den Riemen meiner Tasche, die mir gegen die Seite schlug. Früher trug ich immer eine Schußwaffe bei mir, aber diese Gewohnheit habe ich abgelegt. Ich trat durch das Tor, das mich mit seinem gewohnten Quietschen willkommen hieß. Meine Wohnung war dunkel, aber ich konnte in Henrys Küche Licht brennen sehen. Ich wollte nicht allein sein. Ich ging zu seiner Hintertür und klopfte an die Glasscheibe.
Kurz darauf trat er aus dem Wohnzimmer. Er winkte kurz, als er mich sah, und kam dann herüber, um mich einzulassen. »Ich habe gerade die Nachrichten gesehen. Der Mord kommt auf allen Kanälen. Klingt übel.«
»Grauenhaft. Es ist scheußlich.«
»Setz dich und wärm dich auf. Draußen ist es ganz schön frisch geworden.«
Ich sagte: »Laß dich nicht stören. Ich setze mich einfach hierhin.«
»Sei doch nicht albern. Du siehst verfroren aus.«
»Ich friere wie ein Schneider.«
»Dann wickeln wir dich jetzt ein.«
Ich stellte meine Tasche ab und packte mir seine Wolldecke, die ich um mich legte wie eine Stola, während ich mich auf seinem Schaukelstuhl niederließ. »Danke. So ist es wunderbar. Gleich wird mir wärmer sein. Es ist vor allem die Anspannung.«
»Das wundert mich nicht. Hast du schon zu Abend gegessen?«
»Ich glaube, ich habe etwas zu Mittag
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