Goldgrube
mir jedesmal die Tränen in die Augen, wenn ich die Nationalhymne von jemandem gesungen höre, der wirklich weiß, wie man sie schmettern muß. In diesem Moment wußte ich allerdings, daß ich ein bißchen um den heißen Brei herumreden mußte, da es nicht gerade legal gewesen war, wie ich »es angestellt« hatte, Guy Malek zu finden. Weder Darcy noch ich waren dazu berechtigt, in die EDV der California Fidelity einzudringen, um bei der Kfz-Zulassungsstelle in einer Angelegenheit nachzuforschen, die rein gar nichts mit einem Versicherungsfall zu tun hatte. Vielleicht hatten wir uns alle beide einer gravierenden Zuwiderhandlung gegen die Firmenpolitik, die abteilungsinternen Vorschriften, den allgemeinen Anstand und die guten Sitten schuldig gemacht. Womöglich wurde das in mein allgemeines Führungszeugnis aufgenommen, etwas, womit mir mein Volksschuldirektor jedesmal gedroht hatte, wenn ich in der fünften und sechsten Klasse mit Jimmy Tait den Unterricht schwänzte. Ich glaubte zwar nicht, daß das, was ich getan hatte, mich ins Gefängnis bringen würde, aber immerhin saß ich hier auf dem Polizeirevier, und ich mußte auf meine Lizenz als Privatdetektivin achtgeben. Da ich inzwischen fünf verdächtige Sekunden lang gezögert hatte, hielt ich es für klug, irgend etwas zu berichten.
»Ah«, sagte ich. »Nun ja. Ich habe mich letzten Mittwoch mit Donovan, Bennet und Jack Malek getroffen. Im Laufe unserer Gespräche wurden mir Guy Maleks Geburtsdatum und seine Sozialversicherungsnummer genannt. Am Donnerstag nachmittag bin ich zur Kfz-Zulassungsstelle gegangen und habe gefragt, ob auf Guy Maleks Namen ein Führerschein ausgestellt ist. Ich erhielt die Auskunft, daß seine Fahrerlaubnis 1968 eingezogen wurde, er aber einen kalifornischen Personalausweis hätte. Seine Postanschrift in Marcella befand sich in den Unterlagen. Das habe ich Tasha Howard, der Nachlaßanwältin, und Donovan Malek berichtet, der mich beauftragte, nach Marcella zu fahren und die Adresse zu überprüfen. Marcella ist ein kleiner Ort. Ich war noch keine zehn Minuten dort, als ich erfuhr, wo Guy Malek wohnte. Offen gestanden war ich nicht dafür, daß er hierherkam.«
»Weshalb denn?«
He, solange meine Haut nicht auf dem Spiel stand, kümmerte es mich nicht, wen ich hier verpfiff. »Seine Brüder waren verärgert darüber, daß sie ihm einen Anteil vom Nachlaß ihres Vaters abgeben sollten. Sie waren der Ansicht, er hätte sämtliches Geld, auf das er einen Anspruch hatte, bereits erhalten. Es ging um die Frage nach dem zweiten Testament, das verschwunden war, als der alte Herr starb. Bennet war überzeugt davon, daß sein Vater Guy enterbt hatte, aber da dieses Testament nie aufgetaucht ist, wurde das ursprüngliche in die Nachlaßakten aufgenommen.« Ich machte an diesem Punkt einen kleinen Umweg und erzählte Lieutenant Bower in groben Zügen die Geschichte über Max Outhwaite, dessen Brief an den Dispatch den ganzen unerfreulichen Medienwirbel ins Rollen gebracht hatte. Sie sprang zwar vor Begeisterung nicht gerade in die Luft, aber es erfüllte jedenfalls den Zweck (hoffte ich), sie von dem Thema meiner illegalen Computerrecherche abzulenken.
Sie erkundigte sich eingehend nach der Haltung der Maleks gegenüber Guy, die ich als feindselig beschrieb. Ich erzählte ihr von dem Ausbruch zwischen Donovan und Bennet, bei dem ich Zeuge geworden war. Dann bombardierte sie mich mit einer Reihe gezielter Fragen nach Jacks Äußerungen über Guy, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, das einen Mordplan hätte vermuten lassen. In unserem ersten Gespräch hatte er sich mit Bitterkeit über Guys Verschwinden geäußert, aber das war beinahe achtzehn Jahre her, und so war ich nicht davon überzeugt, daß es eine Rolle spielte. Obwohl ich es ihr gegenüber nicht aussprach, hatte ich Jack als das Familienmaskottchen eingestuft, eine Art harmloses Haustier, darauf trainiert, die anderen mit seinen Mätzchen abzulenken. Für mich war er kein bedeutender Faktor in dem aktuellen Familiendrama.
»Wann haben Sie das letzte Mal mit Guy gesprochen?«
»Er hat mich am Montag abend angerufen. Er brauchte eine Verschnaufpause, also bin ich zum Haus hinübergefahren und habe mich an der Seitenpforte mit ihm getroffen. Ich habe mich gefreut, von ihm zu hören. Ich hatte mir nämlich schon Sorgen gemacht, weil ich wußte, daß sich die Medien auf die Geschichte gestürzt hatten. Peter Antle, der Pfarrer von Guys Kirche oben im Norden, hatte auch versucht,
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