Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
wirbelten im Dunstkreis des schmierigen Bullauges durch die Luft. Ein Säbel fuhr splitternd durch das Holz neben ihm. Ein Spiegel zerbrach und bunte Scherben zerstreuten sich auf den Planken. Erschrocken fuhr er zurück. Hinter einer weit abgelegenen Tür fand er eine ebenso vornehme Kajüte, wie die, welche er verlassen hatte. Bewundernd betrachtete er die kunstvollen Objekte, die sie schmückten - ein echtes Haifischgebiss, furchterregend an der Wand gähnend -, nachgebaute majestätische Segelschiffe jeder Art und silberne Kerzenleuchter. Vor dem hölzernen Schreibschemel lagen ein abgegriffenes Buch mit leeren Seiten und ein Schlüsselbund. Er nahm die Schlüssel an sich.
Weiterhin links und rechts durch das endlose Gewirr der Gänge irrend, stieß er ab und zu auf kleine Fensteröffnungen, Schießscharten nicht unähnlich. Vor einer von ihnen baumelte ein blau angelaufenes Gesicht, eine Eisenkette hatte sich tief in die Kehlengegend geschnitten. Die dröhnende missgelaunte Stimme von Ketten-Hannes drang bis zu Peter herunter und eine leere Buddel flog klatschend ins Wasser. Nachdem er einige Stiegen hinuntergelaufen war, erreichte der flüchtige Schiffsjunge eine mit dekorativen Eisenverstrebungen befestigte und mit einem großen Schloss gesicherte Tür. Er hatte es nicht anders erwartet – einer der Schlüssel vom Bund passte - und wieder versuchte er seine Augen an die nun stärkere Dunkelheit zu gewöhnen, die ihn hinter der Tür empfing. Es schien sich um einen Lagerraum zu handeln, Kisten und Fässer stapelten sich hier. Peter suchte nach Vorräten, die er eventuell auf seine Reise mitnehmen konnte und brach einige der Deckel mit seinem Messer auf. Der Kampflärm an Deck war für einen Moment lauter geworden, als würde die Schlacht in eine neue Runde gehen. Doch er musste sich beeilen. Er musste ein Rettungsboot gefunden haben, bevor die Männer der russischen Marine besiegt waren und die Piraten beginnen würden, das Schiff zu plündern. Fast schmerzhaft spürte er die Herzschläge in seinem Hals.
Von einem Ballen Leinen aus einer der Kisten riss er sich ein breites Stück ab und wickelte darin eine Handvoll Schiffszwieback, den er ebenfalls in einem der Fässer gefunden hatte. In einer Ecke des Raumes, der mit zunehmender Sehfähigkeit immens größer wirkte und nur von einigen Stützbalken unterbrochen wurde, entdeckte er eine Kiste, die zusätzlich mit Ketten und Schlössern gesichert war. Eilig probierte er die Schlüssel an dem schweren Bund aus und auch hier passten sie. Als die Ketten abfielen und er den Deckel der Kiste hob, glaubte er für einen Augenblick zu träumen. Die Kiste war randvoll mit Goldmünzen gefüllt und in einer extra geräumigen Kassette lagerten die betörendsten und wundervollsten Schmuckstücke, aber auch andere einzigartigste Kostbarkeiten, die er je in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Die meisten davon waren mit Bernstein verziert, welcher in der Düsternis der Kammer matt leuchtete, genauso wie eine ersterbende Sonne in der Nacht, und mit seinen kleinen und großen Luftblasen wirkte er in diesem Überfluss wie flüssiges Gold, sowie Rubine, Smaragde und andere wertvolle Edelsteine, deren Namen ihm als Schiffsjungen unbekannt waren, boten ein funkelndes Feuerwerk für die Augen. Noch bezaubernder erschienen ihm jedoch die fantasievollen Formen und feinen Arabesken, welche die in allen Farben des Regenbogens schimmernden Edelsteine umschlossen.
Peter war überwältigt – er wusste, dass er bis zu seinem Ende von dieser Pracht träumen würde - und starrte einige Minuten wie im Trance auf den vor ihm liegenden Reichtum. Dann schien er zu sich zu kommen, schüttelte seinen struppigen Kopf wie ein gerade nass gewordener Hund, drehte sich um und schritt mechanisch zum Ausgang. An der Tür hielt er nochmals inne, als hätte er etwas vergessen, überlegte kurz und eilte zurück zur Schatzkiste. Schnell stopfte er sich so viel Goldmünzen wie er konnte in die Hosentaschen und in seinen Leinensack mit dem Schiffszwieback, um endlich wirklich hinaus in den Gang gleiten. Er hatte zwar mehr Interesse an seinem Leben als an Gold, aber dies war lange kein Grund, alles davon seiner wenig fürsorglichen 'Familie' zu überlassen.
***
Tagebucheintragung vom 13.09.1979
Wir haben wirklich Glück gehabt mit der Wohnung. Der Gang zur KWV war schrecklich. Eine fette Frau saß hinter dem Schreibtisch und schaute kaum zu uns hoch. Sie sah wenig Hoffnung, relativ
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