Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
schnell zu einer Wohnung zu kommen, außer Olga wäre schwanger. Das ist sie aber nicht (Ich persönlich hätte ja nichts dagegen – so eine kleine Olga-Sonne wäre doch etwas Himmlisches!). Mit ihrer Beredtheit hat meine Liebste es tatsächlich fertig gebracht, dass wir trotzdem sofort Wohnungsangebote bekamen. Leider ist sie dabei wieder in ihre Unart verfallen, mich vor anderen herunter zu putzen, wenn ich etwas sagen will. Sie schneidet mir einfach das Wort ab und bedenkt mich in ihrer Ungeduld mit schmerzenden Blicken und Worten, die ich hier gar nicht wiedergeben kann. Ich weiß ja, dass sie recht hat, und dass ich meinen Mund halten sollte, aus mir kommt selten was Gescheites raus, aber ich finde es nicht richtig und es ist sehr peinlich. Nicht nur, weil sie recht hat, sondern auch weil ich weiß, dass ich gegen sie keine Chance habe, verstumme ich sofort. Einige Male habe ich ganz ruhig versucht ihr zu erklären, wie sehr ich es verstehe, wenn sie schnell mit mir ungeduldig wird, weil sie so viel besser ist als ich, und dass ich mir jede Mühe gebe, sie nicht gegen mich aufzubringen, aber dass ich ihre Art, mich vor anderen und generell bloßzustellen, sehr verletzend finde. Ich glaube, sie hat gar nicht zugehört. Sie unterbrach mich nur mit der schnippischen Frage: „Klaus, was willst du eigentlich?“, auf die ich keine Antwort fand. Erst sehr viel später, als sie schon schlief, flüsterte ich in ihr kleines süßes Ohr: „Aufhören! Bitte aufhören!“ .
Ich habe den Eindruck, dass wir ein ernsthaftes Kommunikationsproblem haben. Vielleicht nicht mal wir, sondern bloß ich. Ich wünschte, ich könnte mich besser ausdrücken. Und dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Liebe stark genug ist, daran nicht zu zerbrechen. So heißt es immer – wahre Liebe überwindet alles. So wird es auch bei uns sein, denn eine größere Liebe gibt es nicht. Wir haben beide unsere Eigenheiten und Fehler und wir werden damit zu leben lernen, wenn nicht gar, sie zu lieben.
Es gibt einige Eigenarten an Olga, die mir noch viel mehr Kummer bereiten. Zum Beispiel hängt sie so an ihrer alten Heimat, sammelt alles über die Sowjetunion, insbesondere Leningrad, redet oft komische Sachen und liest unentwegt, was ihr unter die Finger kommt. Nun wäre dieses Interesse an der Heimat sicherlich kein Grund, sich Sorgen zu machen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass sie sich da über ein gesundes Maß hinaus in etwas hineinsteigert. Abgesehen davon, dass es mir manchmal scheint, als sei sie gar nicht bei mir, ja nicht einmal bei sich, sondern weilte an einem Ort, kilometerweit entfernt, dann sind da noch diese häufigen Selbstgespräche, die mich erschrecken, teils auf russisch, teils auf deutsch. Durch das häufige Zusammensein mit ihr und die kurzen Besuche bei ihrer Familie, haben sich meine russischen Sprachkenntnisse stark verbessert, aber wenn ich ihr ab und zu ungewollt lausche, möchte ich meinen, kein Wort zu verstehen. Und doch verstehe ich es! Ich verstehe es, einen Teil zumindest, und es macht mir Angst. Es ist so seltsam, was sie manchmal redet, so seltsam, dass ich lieber glauben möchte, sie nicht verstanden, beim Übersetzen versagt zu haben. Ich möchte das hier nicht schriftlich wiedergeben, vielleicht vergeht das wieder, und wenn nicht, werde ich ihr beistehen, egal, was geschieht und wie schlimm es kommt.
Jedenfalls sind wir nun seit Wochen damit beschäftigt, unser neues Nest zu bauen, welches wir zu unserem Glück bereits unter den ersten vorgeschlagenen Wohnungen fanden, nachdem wir die Bruchbude mit der schimmeligen Wand und die halbe Ausbauwohnung ausgeschlagen hatten. Wir schuften, bis wir abends wie tot ins Bett fallen und auch jetzt liegt noch massig Arbeit vor uns, was zur Folge hat, dass die netten Schäferstündchen von früher viel zu kurz kommen, oder um genauer zu sein, eigentlich überhaupt nichts läuft. Das ist bedauerlich, aber nur vorübergehend, und ich freue mich auf die Zeit in unserer neuen Wohnung, ab der ich die Knochen in meinem Körper endlich nicht mehr spüre und genügend Muße haben werde, um Olga-Schatz zu verwöhnen.
***
Den ganzen sonnenlichtversponnenen und herrlich verträumten Sommertag hindurch ging mir der Lindenbaum in der Version des alten Volksliedes nicht mehr aus dem Kopf. Selbst als ich mich erst am späten Nachmittag von Christine verabschiedet und mich nach Hause begeben hatte, trällerte ich die Melodie ohne Unterlass vor mich hin.
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