Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
wie für Stern. Die menschlichen Wesen, Pflanzen oder der Staub, wir alle tanzen nach einer geheimnisvollen Melodie, die ein unsichtbarer Spieler in den Fernen des Weltalls anstimmt.“
(Albert Einstein)
Noch lange hatte die Mannschaft in der Nacht gezecht und erwachte viele Stunden nach der ersten Morgensonne mit brummenden Schädeln. Doch ein Pirat kennt keinen Schmerz und sie waren außerdem die Sauferei viel zu gewöhnt, als dass sie dies von ihren Aufgaben abgehalten hätte. Eine starke Brise blies seewärts, so wurden die Segel gehisst und der Dreimastschoner nahm in eiliger Fahrt seinen Kurs auf. Etwas war geschehen, eine sehr denkwürdige Stimmung herrschte mit einem Mal an Bord. Überall, wo sich der Kapitän aufhielt, sah man grimmige Gesichter, ausspuckende Münder und aussagekräftige Zeigefinger quer über dem Hals. Niemand sprach, doch die Atmosphäre war zum Bersten gespannt. Zwar wurden die Befehle ausgeführt, aber die Blicke schienen vor Verachtung und Widerwillen zu brennen. Das musste auch Ferdinand bemerken, vielleicht ahnte er sogar schon etwas. Wil befürchtete, dass die Situation zu schnell außer Kontrolle geraten könnte, bevor ihre Position unter den Piraten sicher war. Die geheime Wahl des Nachfolgers musste schnellstens vonstatten gehen. Holger war ihr ein Dorn im Auge. Sie hoffte, dass er nicht allzu viele Sympathien unter der Mannschaft hatte. Andererseits war er ein Mann. Man konnte nie wissen, wie viele der Männer etwas dagegen hatten, unter der Führung einer Frau zu stehen.
Gedankenverloren stand sie an der Reling, starrte auf den milchigen Horizont und überlegte, wie sie mit Holger fertig werden konnte. Gerüchte zu streuen wäre wahrscheinlich zu auffällig, besonders wenn es falsche waren, da die Gefahr bestand, dass man ihr die Sache mit Kapitän Ferdinand nicht mehr glauben würde, wenn das herauskam. Sie könnte natürlich ihre weiblichen Reize einsetzen, um ihn zu verwirren – sie zweifelte nicht daran, dass er sich verführen lassen würde -, aber zum einen spürte sie wegen seines ungepflegten Äußeren wenig Lust dazu, zum anderen war Holger viel zu stur, als dass ihn das von seinem Ziel abbringen würde. Heimliche Beseitigung – sie schüttelte selbst über sich den Kopf, als sie merkte, was sich für Gedanken in ihren Kopf gestohlen hatten. Wenn ich nicht aufpasse, werde ich selbst noch zur Despotin. Es muss andere Wege geben. Der Bessere soll siegen, ich muss also die anderen davon überzeugen, dass ich besser bin als Holger, nur wie? Eine Rede halten, ja, da könnte ich ihn glatt schlagen, allerdings wird es wohl kaum die Männer sehr beeindrucken, zumindest nicht, wenn sie vorher wissen, dass es um das Reden geht. Die lassen sich allein durch markige Parolen beeinflussen, wenn sie nicht merken, für welche mehr oder weniger leeren Worten sie sich da begeistern. Plötzlich schlug sie sich mit einer heftigen Bewegung an die Stirn, so dass einer der Piraten ganz verdutzt zu ihr hinüber sah. Natürlich, das war es! Fast hätte sie laut aufgelacht. Ein Zweikampf musste her. Sie fühlte, dass sie sich ausschütten könnte vor Lachen darüber, dass ihr diese Idee erst jetzt kam, denn ein Mann hätte wohl zuallererst an diese Möglichkeit gedacht. Krampfhaft klammerte sie sich an die Reling und versuchte ihr zuckendes Zwerchfell unter Kontrolle zu halten. Wenn sie jetzt vor Lachen zusammenbrach, würde kein Pirat mehr für sie stimmen, sondern sie alle würden sie für eine alberne Gans halten.
Langsam beruhigte sie sich, indem sie versuchte an etwas anderes zu denken und dann vervollständigte sie ihren Plan: es würde erst eine Abstimmung stattfinden, sie würde vorher jedoch darauf bestehen, dass bei Unstimmigkeiten ein Zweikampf zu folgen habe. So sollte es sein. Sofort teilte sie Ketten-Hannes, der gerade mit einigen schweren Tauen beschäftigt war, ihren Entschluss flüsternd mit und dieser nickte. Das war nur fair. Auch war er wie sie dafür, dass die Abstimmung so schnell als möglich über die Bühne gehen sollte. Man musste eh ständig befürchten, dass irgendeiner der Männer seinen Mund nicht mehr halten konnte oder dem Kapitän an den Hals ging. Also gab man sich untereinander tuschelnd weiter, dass heute am späten Abend, unter dem Deckmäntelchen einer fröhlichen Runde Rum, bereits der Nachfolger Ferdinands gewählt werden sollte. Es war nicht auszumachen, ob der Kapitän von all diesen Heimlichkeiten etwas mitbekam. Mit versteinertem
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