Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
sich nur, was wir mit dem alten da unten in seiner Kajüte machen.“ Sofort schrien wieder die ersten, dass er hängen solle.
„Sachte, sachte, Jungchens“, bemühte sich Ketten-Hannes einzulenken, “lasst uns erst einmal auf die Wahl trinken. Die Trauerfeier kommt dann morgen.“
Einige der Mannschaft lachten, aber einige murrten auch unzufrieden. Wil wusste, spätestens am nächsten Tag war es um Ferdinand den Seebeuter geschehen. Sein Tod war unausweichlich, sie konnte sich dem nicht entgegenstellen, auch wenn sie unnötiges Blutvergießen hasste. Mit seinem Verrat an dem Codex hatte er für jeden einfach strukturierten Piraten sein Leben verwirkt und sie war der Stein des Anstoßes dazu. Einen Rückzieher konnte sie sich nicht erlauben. Aber ganz pragmatisch gedacht: ein Feind weniger war immer noch besser, als ein lebender Feind – und säße er am Ende der Welt im tiefsten Kerker. Das Piratendasein würde ihr Leben sein und ihr Leben das eines Piraten, Rücksichten gab es in diesem Leben nicht und sie hatte es so gewollt.
***
Die überraschende Entdeckung des Fotos von Klaus Luchterhand ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Den dazugehörigen Artikel las ich zweimal und fand nach einigem Suchen zusätzlich eine dünne Mappe mit Zeitungsausschnitten zu diesem Thema. Gebannt stürzte ich mich in deren Lektüre und konnte mit ihrer Hilfe die damaligen Ereignisse wie folgt rekonstruieren:
Am 13. September 1990 versuchte mein Nachbar zwischen vier und fünf Uhr morgens mit Hilfe eines Bootes, eines Glasschneiders und verschiedener anderer Werkzeuge in das Herrenhaus auf der Taubeninsel einzubrechen. Er öffnete dazu ein Kellerfenster, wobei er die Alarmanlage aktivierte, welche sofort losging. Darauf flüchtete er und wurde ziemlich verstört am Ufer der Insel von Polizeibeamten aufgegriffen, die wegen des Alarmrufes zur Taubeninsel mit einem Motorboot übergesetzt hatten. Er sagte mehrmals, sein Boot sei abgetrieben und bekannte sich ohne Zögern des versuchten Einbruchs schuldig. Trotzdem gibt es einige rätselhafte Faktoren in diesem Fall. So wurde das Ruderboot verlassen am anderen Ufer gefunden, jedoch konnte es unmöglich von allein dorthin getrieben sein, sondern hätte sich flussabwärts im Schilfgewächs der Insel verfangen müssen. Die Polizei ging davon aus, dass er einen Kumpan hatte, der sich bei Ertönen der Alarmsirene aus dem Staub machte und den Komplizen auf der Insel zurückließ. Doch während aller Verhöre bestand Klaus Luchterhand darauf, allein gehandelt zu haben. Da es keine weiteren Hinweise gab, das Durchsuchen der Verbrecherkartei ohne Ergebnis blieb, beließ man es schließlich dabei. Der Prozess war dementsprechend schnell abgehandelt. Klaus Luchterhand gab sich während der Gerichtsverhandlung zerknirscht und nannte als Motiv, die Verlockungen seien zu groß gewesen und er habe nach der Wende in seinem Werk weniger verdient als vorher. Deshalb habe er dieses Anwesen ausgekundschaftet, von dem er annahm, dass es dort etwas zu holen gab, und den Plan eines Einbruchs gefasst. Seine Lebensgefährtin saß während der Gerichtsverhandlung mit im Saal und wirkte sehr beherrscht, in einigen Momenten konnte man aber auch ihre starke Betroffenheit bemerken. Er schien sehr an ihr zu hängen, denn sobald sie sich länger nicht in der Untersuchungshaft blicken ließ, wurde er unruhig und verfiel in aggressives Selbstmitleid. Während der Verhandlung wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt, was er ohne Regung auf sich nahm.
Klaus Luchterhand war also Strafgefangener gewesen. Ich erinnerte mich an den Glasschneider in seinem Keller und fragte mich, ob er mit diesem den Einbruch verübt hatte und ebenso, ob er vielleicht einmal daran gedacht hatte, bei mir einzubrechen. Oder hatte er seiner kriminellen Karriere vollends abgeschworen? Ich war mir nicht im Klaren darüber und das machte mir doch ein wenig Angst, obwohl ich nicht mehr in meiner Wohnung lebte. Außerdem frage ich mich, welches Verbindungsglied Klaus Luchterhand zwischen meinen Albträumen von Sophia Alexejewna und dem Zarengold war. War es wirklich nur ein mysteriöser Zufall, dass er nach demselben gesucht hatte, wonach ich nun auch suchte? Ich wurde das Gefühl nicht los, dass seine vermisste Lebensgefährtin ebenfalls etwas mit der Sache zu tun hatte, allein wegen der merkwürdigen Übereinstimmung, sich für Sophia Alexejewna zu halten oder sich so zu nennen.
Mir brummte der Schädel. Ich nahm ein Schluck Wasser
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