Goldkehlchen: Kriminalroman (German Edition)
recht. So ein paar Pfündchen weniger würden unserem Franz sicherlich ganz guttun. Aber als Torwart, da muss man halt zwischen den Pfosten stehen.«
Kroll und Wiggins nickten verständnisvoll.
»Wir hatten Ihnen ja bereits gesagt, dass wir die Angelegenheit sehr ernst nehmen«, fuhr Wiggins fort. »Ab sofort wird ein Polizeibeamter vor Ihrem Haus stehen, falls etwas Außergewöhnliches passiert. Sie mögen die Maßnahme vielleicht für ein wenig übertrieben halten, aber wir wollen einfach auf Nummer sicher gehen. Wenn Ihr Sohn das Haus verlässt, muss er bitte dem Kollegen vor dem Haus Bescheid geben. Er wird ihn begleiten. Natürlich ist der Kollege für Sie auch jederzeit telefonisch erreichbar. Ich gebe Ihnen gleich die Nummer unserer Bereitschaft, die auf das Handy des diensthabenden Beamten umleitet. Bitte kooperieren Sie jetzt mit uns. Es wird nur ein paar Tage dauern, aber wir müssen jedes Risiko im Keim ersticken.«
Elisa Kohl sah sie einen kurzen Moment überrascht an. Dann nickte sie zustimmend.
»Und jetzt das Allerwichtigste«, ermahnte Kroll die Frau. »Wenn in den nächsten Tagen etwas Ungewöhnliches passiert, vor allem, wenn Ihr Sohn von irgendjemandem angesprochen wird, müssen Sie uns sofort informieren.« Er drückte ihr seine Karte in die Hand. »Sie können mich Tag und Nacht anrufen. Tag und Nacht. Das ist wörtlich gemeint.«
Frau Kohl hatte den Ernst der Lage begriffen. »Das mache ich natürlich.« Sie räusperte sich. »Vielen Dank«, sagte sie mit gedämpfter Stimme.
»Und jetzt würden wir gern noch mit Ihrem Sohn sprechen.«
»Franz ist in seinem Zimmer. Ich gehe mal vor.«
Kroll und Wiggins statteten noch den Familien von Balu und Sumo einen Besuch ab und baten sie gleichfalls, achtsam und kooperativ zu sein.
Donnerstagabend
Kroll freute sich, dass er seit Langem mal wieder die Gelegenheit hatte, am Taekwondo-Training teilzunehmen. Obwohl Kroll nicht besonders eitel war, hatte er doch heimlich zwei Sorgen. Nämlich, dass sein Fett mehr und sein schön proportioniertes Muskelkorsett weniger werden könnten. Der Kampfsport war seine große Leidenschaft, er hatte einen schwarzen Gürtel in Karate, Judo und Taekwondo. Nach seinem Dienst in der Armee hatte Kroll sogar ein paar Semester Sport studiert, musste dann aber mit Schrecken feststellen, dass das Studium viel mehr theoretischen Unterricht beinhaltete, als er sich das vorgestellt hatte. Er wechselte dann auf die Polizeischule, eine Entscheidung, die er trotz unregelmäßiger Arbeitszeit und wenig Freizeit nie bereut hatte.
Nach dem Duschen zog er sich Jeans, Oberhemd und Turnschuhe an. Die Sportklamotten stopfte er bewusst in die große, weiße Sporttasche mit der Aufschrift seines Vereins ›Taekwondo Yom Chi‹. Eine Flasche Rotwein, nicht ganz passend für den angekündigten Fisch, aber wenigstens zur noch kühlen Jahreszeit, hatte er in seinem Auto deponiert.
Er parkte sein Auto in der Funkenburgstraße direkt hinter dem roten Golf. Er tat so, als würde er den Mann auf dem Fahrersitz nicht zur Kenntnis nehmen, ging aber bewusst so, dass Anjas ehemaliger Freund sowohl die Weinflasche als auch die Kampfsporttasche nicht übersehen konnte.
Kurz bevor er die Haustür erreicht hatte, hörte er eine Stimme hinter sich. Kroll blieb abrupt stehen und drehte sich um.
»Wohin willst du?«
Der Fahrer des Golfs war ausgestiegen und stand unmittelbar vor Kroll. Er war einen halben Kopf größer als der Polizist und von kräftiger Statur. Sein Blick war stechend, er war bemüht, sich unter Kontrolle zu halten.
»Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht«, antwortete Kroll ruhig.
Anjas ehemaliger Freund überlegte nicht lange. »Verschwinde von hier und lass vor allem Anja in Ruhe. Sonst kriegst du Ärger und das nicht zu knapp!«
Kroll stellte vorsorglich die Weinflasche und die Sporttasche auf den Gehweg. Er wollte die Hände frei haben, für alle Fälle. »Ich glaube, Anja ist alt genug, um allein zu entscheiden, mit wem sie sich trifft. Aber wenn ich sie richtig verstanden habe, legt sie zurzeit keinen gesteigerten Wert auf Ihre Gesellschaft. Ich schlage vor, Sie setzen sich jetzt wieder in Ihr Auto und fahren nach Hause.«
»Du hast es ja nicht anders gewollt.«
Kroll war ein geübter Kampfsportler. Es war kein Problem, der heranfliegenden Faust auszuweichen.
»Sie sollten sich gut überlegen, mit wem Sie sich prügeln. Das könnte sonst vielleicht wehtun. Und das täte mir wirklich leid.«
Krolls Gegenüber
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