Goldmacher (German Edition)
stellen, und wenn er seine Verleumdungen nicht unterlässt, verklage ich ihn!«
4.
Bevor Franz Gelegenheit dazu finden konnte, Hans-Ulrich zur Rede zu stellen und ihm eine Klage anzudrohen, hatte Lexa die Initiative ergriffen. Sie war noch am selben Abend mit dem Nachtzug nach München gereist und stand nun vor der Eingangspforte zu einer Villa in München-Bogenhausen und klingelte bei ihrem Großvater. Sie hatte ihm vor der Abreise aus Berlin ihren Besuch angekündigt, den Grund ihres Besuchs hatte sie trotz Huberts Nachfrage verschwiegen. Sie wolle nur eine Auskunft, das war alles, was Lexa ihrem Großvater angekündigt hatte.
Hubert erwartete seine älteste Enkeltochter wenn auch mit einiger Skepsis, so doch mit Neugier. Keine seiner Enkelinnen hatte ihn bisher in seiner Stadtwohnung, wie er das gemeinsame Domizil mit seiner Geliebten nannte, die er Lexa als seine Sekretärin vorstellte, besucht.
»Das war ein Verhör!«, tobte er dann, kurz nachdem Lexa die Stadtwohnung wieder verlassen hatte. »Ach was, das war kein Verhör, es war eine Anklage!« Er donnerte mit der Faust auf den Tisch.
Lexa hatte ihn unumwunden gefragt, welche Verbrechen er im Dritten Reich begangen habe. Keine, hatte er geantwortet und es so oft wiederholt, bis Lexa nicht mehr fragte. Auch noch, als sie sich mit »Rotfront« und geballter Faust verabschiedete, hatte er nur lächelnd den Kopf über ihren kindischen Eifer geschüttelt. Doch jetzt, die Gartenpforte fiel gerade hinter seiner Enkelin ins Schloss, brach er in wüstes Schimpfen über die Weiberwirtschaft seines Sohnes, dieses Weicheis mit einem Haufen ungeratener, unerzogener Töchter aus. Dann eilte er in sein Arbeitszimmer an seinen Schreibtisch, griff zum Telefon und rief, in heftigstem Aufruhr über die Unverfrorenheit seiner Enkelin, einen seiner drei Anwälte an, danach auch gleich noch die beiden anderen und bestellte sie umgehend zu sich. Empört und aufgebracht über Lexas Verhör und maßlos erbost über ihren Kommunistengruß beherrschte ihn nur noch ein einziger Gedanke: Enterben! Er würde sie enterben. Nein, nicht nur Lexa, er würde alle seine missratenen Enkelinnen enterben.
Jeden Tag brütete Hubert daraufhin über diesem seinem vollständig neu zu entwerfenden Testament, seinem endgültigen Letzten Willen. Jeden Tag enterbte er in immer wieder neuen Variationen zuerst seinen Sohn Franz und endlich, was sein eigentliches Ziel war, dessen Töchter. Nicht der geringste Teil seines Vermögens sollte eines wenn auch gewiss noch fernen Tages auf diese Kommunistinnen, diese Rotfrontlerinnen übergehen können. Doch mit jedem neuen Entwurf ließen ihn seine Anwälte wissen, dass er seine Familie nicht völlig enterben könne, es gebe nun einmal den gesetzlichen Pflichtteil. Den werde er zu umgehen wissen, versprach er.
Selbst nachts ließen ihn seine Enterbungsstrategien nicht zur Ruhe kommen, sie trieben ihn, trotz schlechten Wetters, sogar zu nächtlichen Wanderungen durch den Garten an. Es dauerte nicht lange, und er war erkältet. Die Erkältung nistete sich in seine Bronchien ein, und er bekam Fieber. Schließlich drohte die Infektion in eine Lungenentzündung überzugehen, und der Hausarzt, den Hubert widerwillig kommen ließ, verordnete ihm Antibiotika und strikte Bettruhe. Das hinderte Hubert nicht daran, seine Enterbungspläne voranzutreiben, trotzdem entwickelten sie sich nicht, wie er es sich wünschte. Nun beschimpfte er seine Anwälte als Nichtsnutze, Dilettanten und Banausen. Trotzdem hätte er sie in seiner Ungeduld zwecks Auslotung aller juristischen Tricks am liebsten an sein Krankenbett gefesselt. Er telefonierte unentwegt hinter ihnen her, wünschte, nein, befahl ihnen, ihm selbst in späten Abendstunden noch zur Verfügung zu stehen.
»Ja, dann fahren Sie doch nach Baden-Baden und verspielen Sie im Kasino ihr ganzes Hab und Gut, dann können Sie nichts mehr vererben!«, rief irgendwann gereizt einer der gepeinigten Anwälte aus, nicht ahnend, was er mit diesem gewiss nicht ernst gemeinten Vorschlag anrichtete.
Eine Weile lauschte Hubert auf das Echo, das dieser Vorschlag in ihm hinterließ. Dann klatschte er mit sich steigerndem Vergnügen mehrfach in die Hände, schlug mit Schwung die Bettdecke zurück und setzte sich auf. Mit einem Satz stand er auf den Beinen und lief nun, gefolgt von dem beunruhigten Anwalt, durch die geräumige Villenetage. Erst rief er nach seiner Sekretärin, dann nach der Haushälterin. Er gab den beiden verdutzten
Weitere Kostenlose Bücher