Goldmacher (German Edition)
ihm telefoniert, ja, sich schon bald sogar mit ihm verabredet. Franz hatte wieder Zwischenstopps eingelegt, und sie waren gemeinsam zum Essen gegangen. Jetzt ohne Sissi. Trotzdem war sie anwesend, denn nun hatte er mit Franz vor allem über Sissi geredet. Über sich und Sissi, und wie sie ihn eines Morgens mit einem Strahlen im Gesicht überraschte, das ihn die schwierige Zeit vergessen ließ. An diesem Morgen hatte sie ihm eine Langzeitstudie mit Affenbabys beschrieben, in denen sie den lieblosen Umgang mit Menschenbabys gespiegelt sah, und zum ersten Mal von den Zwillingen als von ihrer eigenen Langzeitstudie gesprochen. Sie würde damit den Beweis führen, dass nur Liebe die Welt retten konnte. »Sie meint die Mutterliebe«, hatte Franz trocken behauptet.
Am nächsten Tag würde er wieder mit Franz verabredet sein, zum Mittagessen. Sie wollten sich wie schon oft zuvor im Austernkeller treffen, bei Cölln. Er war kein so großer Liebhaber von Austern wie Franz, ihm gefiel es aber, sich gänzlich ungestört in einem der Separees mit dem Freund unterhalten zu können, ihre Beziehung war vertrauter denn je. Bei ihrem letzten gemeinsamen Essen hatte Anton mit Franz darüber gesprochen, ob er mit seinen dreiundvierzig Jahren als junger Vater nicht doch vielleicht zu alt sei.
Franz hatte nur kurz aufgelacht, dann länger geschwiegen und schließlich gesagt, er würde sich mit seinen dreiundvierzig Jahren eigentlich noch jung fühlen. Doch wenn er sich mit Lexa, seiner ältesten, nun einundzwanzigjährigen Tochter, oder mit der neunzehnjährigen Franzi in Berlin treffen würde, ob mit einer Tochter allein oder mit beiden zusammen, ob mit oder ohne ihre Freunde, käme er sich jedes Mal nicht nur alt, er käme sich sogar uralt vor. »Sie gebärden sich, als erfänden sie die Welt neu. Die alte, inklusive meiner werten Person, gehört ihrer Meinung nach auf den Müll! Sei also froh, dass deine Söhne noch in den Windeln liegen und nicht wie meine Töchter die Gesellschaft verändern wollen!«
Ein Wagen kam ihm mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegen, er hatte längst den geschützten Hafenbereich verlassen und fuhr auf der Chaussee oberhalb des Flusses stadtauswärts viel zu schnell, wie Anton jetzt bemerkte. Er trat auf die Bremse und sein Wagen geriet leicht ins Schlingern, die Straße war bereits vereist. Er verringerte die Geschwindigkeit noch weiter, in der nächsten Kurve würde sich die Chaussee verengen und in eine Senke hinunterführen. Er sah bereits im Licht seiner Scheinwerfer das Schild mit dem Namen der Senke auf sich zukommen: Teufelsbrück.
Katharina war der Name bei ihrem ersten Besuch sofort ins Auge gefallen, und er hatte der Mutter daraufhin die Legende erzählt, nach der hier einst dem Teufel die Seele des Pfarrers bei einer Wette um die Brücke über diese frühere Furt durch die Lappen gegangen sein soll.
Er hatte bemerkt, wie Katharina ihn nun mehrfach von der Seite angesehen, sich dann einen Ruck gegeben und ihm, immer wieder innehaltend, unter schwerem Seufzen ihre Sorge anvertraut hatte, er, ihr Sohn, könnte seine Seele dem Teufel verkauft haben. Sie hatte sogar Indizien angeführt. Erst habe er sich von seiner Kirche abgewandt, dann sei er auch noch aus ihr ausgetreten. Und wie reich er geworden sei! Was für ein großes Haus er besitze! Das alles könne doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sein! Ihr Beichtvater habe ihr mehrfach versichert, sie sei nicht allein mit ihrer Sorge, manch anderer im Lande hege genau wie sie die Vermutung, ihr Sohn sei mit dem Teufel im Bunde. Er hatte ihr bei allen Heiligen und der Muttergottes schließlich schwören müssen, in seinem bisherigen Leben keine Geschäfte mit dem Leibhaftigen gemacht zu haben.
Wenige Wochen nach dem Besuch von Katharina hatte Judith ihn morgens angerufen. Er war sofort aufgebrochen und doch zu spät gekommen. Es hatte ihn erschüttert, sie tot zu sehen. Er hatte sich neben sie gesetzt und ihr letztes Gespräch fortgeführt, sie daran erinnert, wie er einst den Schwur abgelegt hatte, die Werke des Teufels, von deren Existenz er das erste Mal durch sie erfuhr, zu vernichten. Und wie er dem Satan mit zehn Ave-Maria und drei Kirchenumrundungen eine Seele entrissen hatte. Nichts liege ihm ferner, als ihm die eigene zu verkaufen, hatte er der Toten noch einmal versichert.
Anton kniff die Augen zusammen, im Rückspiegel sah er das Scheinwerferlicht eines schnell herannahenden Autos.
»Idiot!«, sagte er leise, als ihn der Wagen
Weitere Kostenlose Bücher