Goldmacher (German Edition)
schob den Teller vor ihn hin. Nun griff Franz danach, biss hinein, kaute eine Weile auf dem Bissen herum und versuchte nun tatsächlich, die Zutaten herauszuschmecken. Er identifizierte schließlich Sägemehl.
»Es wirkt wie Beton, deshalb sind sie steinhart«, gab Franz, jetzt mit Kennermiene, zum Besten, diese Wirkung erinnere er noch aus der schlechten Zeit nach dem Krieg.
»Quatsch«, widersprach Christoph, »die sind genauso, wie Buletten sein müssen, vor allem nicht zu weich. Man nehme zum Beispiel die Mettwurst«, wandte er sich jetzt Franz zu, »aus der Mettwurst, ehemals eine proletarische Hartwurst, ist in den letzten Jahren unter dem Einfluss kleinbürgerlicher bis bürgerlicher Moden eine Weichwurst oder sogar eine Streichwurst geworden.«
»Ach, wirklich?«, fragte Franz. »Von der Hartwurst zur Weichwurst zur Streichwurst?«, wiederholte er.
Paula kehrte in die Küche zurück, sie hatte für Lexa und Franzi ein Schaumbad eingelassen.
»Du siehst aus, als könntest du einen heißen Grog vertragen«, sagte sie zu Franz, »oder willst du lieber Rock ’n’ Roll tanzen? Das haben wir nämlich bei unserer letzten Begegnung gemacht«, erklärte sie Peter, bereitete einen heißen Grog zu, setzte sich Peter auf den Schoß, nahm die Zigarette, die er ihr gab, inhalierte den Rauch tief in die Lunge, hielt ihn lange dort, entließ ihn nur langsam und in kurzen Stößen, dann reichte sie die Zigarette weiter an Franz: »Mal probieren?«
»Riecht aber seltsam«, stellte Franz fest.
»Selbst gezogenes Cannabis aus Paulas Loggia«, erklärte Peter und lachte sein schallendes Lachen über Franzens erschrockenen Gesichtsausdruck, mit dem er nun vor der Zigarette zurückwich.
Wie Dracula vor der Knoblauchzwiebel, meinte Christoph.
Später, der heiße Grog hatte ihn gestärkt und Paula schlichtete im Badezimmer einen Streit zwischen Lexa und Franzi über den wenig erfolgreichen Einsatz vor dem Amerika-Haus, nahm er dann doch den Joint, der ihm dieses Mal von Peter angeboten wurde. Peter klärte ihn darüber auf, was ein Joint ist. Franz zog vorsichtig daran und stieß den Rauch gleich wieder aus. Das mache keinen Sinn, wurde er von Peter belehrt, er müsse den Rauch schon inhalieren und dann etwas länger in der Lunge halten. Er ermunterte Franz zu einem zweiten Versuch, der ihm nach Peters Ansicht dann auch schon viel besser gelang, Franz nahm nun einen dritten Zug. Und wurde gelobt.
»Paula sagte, Sie sind mit Anton Bluhm befreundet«, wandte sich Christoph dann an Franz.
»Sie müssen nicht Sie zu mir sagen«, forderte Franz ihn auf, »Sie sind doch der Freund von Lexa, oder?«
»Du«, verbesserte Christoph.
»Ich? Ich bin der Vater, Sie sind der Freund.«
»Nein, ich meinte, sag jetzt auch du zu mir«, bot Christoph an und stellte fest, der Joint würde bei Franz schon mächtig wirken, worauf Franz behauptete, er merke überhaupt nichts.
Anton Bluhm sei ein Schwachkopf, er habe seine Angestellten zu lauter Kleinkapitalisten gemacht, erklärte Christoph.
»Vergesellschaftung von Produktionsmitteln«, dozierte er, »das heißt doch immer noch, die Produktionsmittel gehören der Gesellschaft und nicht Einzelnen, auch wenn es viele Einzelne sind.«
»Nein, nein, Anton ist kein Schwachkopf, Sie, ich meine du, also du kennst nicht den wahren Grund.« Franz versuchte, sich an den wahren Grund zu erinnern, der ihm aber entglitt, überhaupt schienen ihm die Gedanken nun zu entgleiten.
»Er ist und bleibt ein Schwachkopf!«, hörte Franz nun Christoph sagen.
»Unsinn!« Franz wehrte mit einer entschiedenen Geste ab und traf dabei das Glas mit dem Grog, das prompt vom Tisch und auf die Fliesen fiel. Er bückte sich, um die Scherben aufzuheben, dann blutete er plötzlich, das Blut tropfte auf den Boden, und er sah einfach zu, wie es tropfte.
Lexa und Franzi schlurften in Bademänteln und mit Pantoffeln an den Füßen in die Küche.
»Die Flugblätter sind euch heute nicht aus der Hand gerissen worden, habe ich vernommen, und ich frage mich, wieso euch die Männer nicht die Flugblätter aus der Hand reißen? Also ich würde …«
»Wenn du etwas tun willst«, unterbrach Lexa Christoph, »dann hol mal irgendeine Art von Verbandszeug, bevor mein Vater uns hier noch verblutet!«
»Verblutet?! Wieso ist denn hier überall Blut?! Ich kann kein Blut sehen! Peter, bitte hilf du ihm!«, rief Christoph melodramatisch. Er sprang auf und weg vom Tisch.
Peter griff nach einem Küchentuch, bückte sich zu Franz und
Weitere Kostenlose Bücher