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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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Wesen aus höheren oder zumindest von keiner Erdenschwere belasteten Sphären.
    »Wie viel Übles wäre der Menschheit erspart geblieben, hätten wir die Verursacher dieses Übels rechtzeitig beseitigt«, setzte Liane ihre Rede jetzt fort, »das jüngste Beispiel ist der teuflische Freund unseres Großvaters. Ich weigere mich, seinen Namen auszusprechen. So viel Übel, das sich in einem Namen vereint, darf man nicht in den Mund nehmen und in die Welt entlassen.«
    Es entstand eine Pause, jede der Schwestern wusste, von welchem Freund des Großvaters Liane sprach.
    »Ich hätte ihn getötet«, sagte Liane dann im schwebenden Tonfall ihrer Stimme. Auch ihre Stimme hatte sich ihrer äußeren Erscheinung angepasst, und so schien das Gesagte nun durch den Raum zu schweben und schwebend darin zu verharren.
    »Wie hättest du ihn denn getötet? In der Badewanne wie Charlotte Cordeille den Marat?«, fragte Lexa nach einer Weile ironisch, um das Schweben zu beenden.
    »Meinetwegen auch auf dem Klo«, antwortete Liane und fixierte Lexa mit ihren wasserblauen Augen, »ich wäre auf jeden Fall nicht so feige gewesen wie diese ostpreußischen Junker mit ihrer unprofessionellen Zeitzünderbombe, die sich und ihre Güter in Ostpreußen retten wollten. Ich hätte die Pistole gezogen und ihm in die Augen gesehen, bevor ich ihn erschossen hätte, auch wenn ich selber dabei hopsgegangen wäre.«
    Sie lehnte sich zurück, schob ein Kissen unter den Kopf, schaute hinauf an die Decke und schien in Gedanken ihren Taten zu folgen, beobachtet von ihren verwunderten Schwestern. Nur Pia hatte wenig Sinn für die Fantasien ihrer Schwester.
    »Du spinnst«, sagte sie, die Realistische, die als Einzige nicht die Welt verbessern wollte. Pia verfolgte die Börsenkurse und hatte beschlossen, Betriebswirtschaft zu studieren. Doch wie überzeugt Liane von dem war, was sie sagte, ahnte auch sie nicht. Ein Jahr darauf, als Liane mit Verbrennungen in einem Krankenhaus lag, angeblich hatte beim Fotografieren ihr Kleid aus Polyester am brennenden Kamin Feuer gefangen, würde sich jede von den Schwestern an das Treffen bei Paula erinnern. Keine würde darüber sprechen, aber jede eine vorzeitige Explosion beim Basteln eines Sprengkörpers, der einem Übeltäter gelten sollte, oder Ähnliches vermuten.
    An diesem Abend aber schien ihnen Liane ein überirdisches Wesen zu sein, ein sanfter Engel, der eine Radikalität beschwor, an die keine von ihnen wirklich glaubte.
    Am nächsten Tag teilten sich die Schwestern dann in drei Zweiergruppen auf, jede Gruppe entwickelte einen oder mehrere Vorschläge, wie der Scheidungskrieg zwischen den Eltern zu beenden sei. Nachdem die Vorschläge über Stunden diskutiert worden waren, blieben zwei übrig. Am Ende einigten sie sich dann noch darauf, Anton als Vermittler zu gewinnen.

12.
    Sissi sortierte den Brief mit Lexas Absender aus dem Stapel, die meiste Post galt Moritz und Simon, sie feierten heute ihren zehnten Geburtstag. Am Abend gab sie ihn Anton, doch der legte den Brief erst einmal beiseite, er hatte den Zwillingen versprochen, ihnen vor dem Einschlafen aus dem Buch vorzulesen, das sich am Morgen noch nicht auf ihrem Gabentisch befunden, das er ihnen erst jetzt geschenkt hatte.
    Nun saß Anton zwischen den beiden Hochbetten im Kinderzimmer und schaute mit seinen Söhnen die Abbildung auf dem Einband an. Moritz und Simon ließen ihre Köpfe über die Bettkante baumeln, betrachteten das altertümliche Schiff, den seltsam gekleideten Mann mit dem Krückstock und dem Holzbein, den großen weißen Walfisch und das Meer mit dem Horizont und warteten dann darauf, dass der Vater zu lesen anfinge.
    »Nennt mich Ismael«, begann Anton schließlich und hielt gleich inne, musste gleich wieder innehalten.
    »Warum liest du nicht weiter, Papa«, hörte Anton die Stimme von Moritz und schüttelte die Erinnerungen an den eigenen zehnten Geburtstag, an das Fräulein Mizzi und die Geschehnisse im Weißen Bräuhaus ab und begann noch einmal, und konnte jetzt den Zeilen folgen. Doch schon bald liefen Gedanken wie eine Parallelspur zu den gelesenen Buchzeilen durch seinen Kopf: Nicht die Erinnerung an das eigene Geschenk hatte ihn dazu gebracht, das Buch zu kaufen, sondern die Nachricht über einen ganz anderen, über einen selbst ernannten Kapitän Ahab. Dieser selbst ernannte Ahab und seine Mannschaft lenkten jedoch nicht einen Walfänger, sondern ein ganz anderes Schiff mit Namen Rote Armee Fraktion. Kurz vor der Konferenz hatte

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