Goldmacher (German Edition)
Verkaufstisch im Laden nicht verlassen wollte. Man könne die Bäckerei doch nicht einfach schließen, wehrte sie Francescos Wunsch ab. An einem so besonderen Tag könne man das schon, entgegnete Francesco und hängte kurz entschlossen das Schild Chiuso ins Fenster. Laura warf einen längeren Blick auf das Schild, dann sortierte sie das Brot neu.
Sie sei sehr stolz auf ihn, versicherte sie ihm, aber wie sollte denn die ganze Familie, er, Sophia, die drei Kinder und sie gemeinsam im Wagen Platz finden? Sie schüttelte den Kopf, nein, das könne nicht gehen.
»Ich nehme das Motorrad«, entschied Francesco sofort und war dann auch schon mit einem Sprung hinter dem Ladentisch, er nahm seine zögerliche Mutter nun entschlossen an der Hand und zog sie dahinter hervor.
»Und jetzt gehst du nach oben und ziehst das neue Kostüm an. Bitte, Mamina«, sagte er noch.
Lauras Bedenken schmolzen dahin und sie verließ, zur Genugtuung von Francesco, den Laden. In ihrer Wohnung, die im ersten Stock über dem Laden lag, zog sie nun das Kleid, das sie über ihrem Unterrock trug, aus, wusch Hände und Gesicht, öffnete ihr von silbernen Fäden durchzogenes Haar, bürstete es, schlang es wieder zu einem Knoten und steckte es mit Kämmen fest. Dann nahm sie das neue Kostüm, das Francesco aus Mailand mitgebracht hatte, aus dem Schrank. Es war dunkelblau und aus einem gerippten leichten Wollstoff. Die Knopfleiste und die Ärmelränder der Jacke wurden von einer hellen Bordüre eingefasst, wie sie es an der Uniform der Stewardessen gesehen hatte, als sie einmal mit Francesco nach Mailand geflogen war.
Sie nahm zuerst den Rock vom Bügel, öffnete den Reißverschluss und zog ihn über ihren Unterrock. Die Seidenbluse im cremefarbenen Ton der Bordüre des Kostüms hatte Francesco ihr geschenkt, nachdem er von der Mailänder Immobiliengesellschaft mit der Bauleitung für die Ferienhäuser an der Küste im Norden der Insel betraut worden war. Sie steckte die Bluse in den Rockbund, schlüpfte nun in die Kostümjacke und schaute auf ihre Schuhe hinunter. Es waren solide Halbschuhe mit kleinem Absatz. Sie wechselte sie nicht, vielleicht würde der Weg zur Grundsteinlegung über felsiges Gelände führen.
Fertig angekleidet, warf Laura noch schnell einen prüfenden Blick in den Spiegel. Ja, sie war sehr stolz auf ihren Sohn, der ihr ein so schönes Kostüm geschenkt hatte. Sie nahm ihre Handtasche und verließ die Wohnung. Unten vor dem Haus wartete bereits ihre Schwiegertochter, sie setzte sich neben Sophia auf den Beifahrersitz. Ihre drei Enkelkinder saßen auf der Rückbank. Sophia startete den Wagen und folgte Francesco, der auf dem Motorrad langsam bis zur Kreuzung vorausfuhr. An der Kreuzung drehte er sich zu ihnen um, gab mit der Hand ein Zeichen, dann ließ er das Visier seines Helms herunter und brauste davon.
Die Kinder, die vom Rücksitz aus Francescos schnellen Start verfolgten, klopften ihrer Mutter nun aufgeregt auf die Schultern und feuerten sie an, ihn einzuholen, sie hofften auf ein Wettrennen. Und tatsächlich gab Sophia Gas. Laura protestierte, sie überstehe die Fahrt nur bei gemäßigtem Tempo. Sophia verringerte sofort die Geschwindigkeit und Laura lächelte dankbar, strich ihren Rock glatt und schaute aus dem Fenster.
So stolz Laura auch auf ihren begabten Sohn war, Francescos Erfolg bedrückte sie doch auch. Und sein Ehrgeiz, der ihn eines Tages dazu bringen würde, vielleicht schon bald, Olbia zu verlassen und nach Rom oder nach Mailand zu ziehen, wie sie befürchtete. Er hatte sie schon einmal verlassen, nachdem er ein Stipendium der Technischen Hochschule in Rom bekommen hatte. Laura konnte sich nicht an seine Abwesenheit gewöhnen, und als er zurückkehrte, musste er ihr versprechen, zu bleiben und sich auf der Insel Arbeit zu suchen. Er fand sie, nachdem vor allem im Norden immer mehr Ferienhäuser und Hotels gebaut wurden. Dann heiratete er ein Mädchen aus Olbia, Sophia, und ihre drei Kinder wurden geboren, und Laura war sich nun sicher, dass ihr Sohn Wurzeln geschlagen hatte. Doch durch diesen großen Auftrag war er mit Leuten aus Mailand zusammengekommen. Sie hatten seinen Ehrgeiz angestachelt und ihm noch größere Projekte, auch in anderen Ländern, in Aussicht gestellt, wenn sie mit seiner Leistung zufrieden wären. Vielleicht wollte sie deshalb nicht bei der Grundsteinlegung dabei sein, sie wollte diesen Leuten nicht begegnen, die ihr den Sohn nehmen könnten. Und sie würden ihr nicht nur ihren Sohn,
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