Goldmacher (German Edition)
durch die der Wagen ins Trudeln geriet und er die Gewalt über das Fahrzeug verlor, das die Böschung hinunterkippte und sich dabei überschlug.
Francesco, der nichts von den dramatischen Folgen seines wüsten Starts mitbekommen hatte, raste indessen seiner Familie entgegen, Sophia hatte sich wegen Laura verspätet. Als sie schließlich, von Francesco eskortiert, die Unfallstelle passierte, versperrte eine Ansammlung von Autos und Menschen die Sicht auf das, was dort geschehen war. Sie hielten nicht an, weil sie bereits verspätet waren.
Franz war bei Bewusstsein, auch wenn er nicht gleich gewusst hatte, dass der Wagen auf dem Dach lag und es die Wagensitze waren, auf die er blickte. Vielleicht war er auch kurze Zeit nicht bei Bewusstsein gewesen und hatte erst, als ihn jemand fragte, wie es ihm ginge, geantwortet: »Bene.« Es stimmte, es ging ihm gut, er hatte keine Schmerzen.
Jemand reichte ihm eine Wasserflasche durch das offene Fenster, er konnte seinen Arm bewegen und sie nehmen und daraus trinken. Der Arm funktionierte noch. Seine Erinnerung auch, er wusste, er lag unten an der Böschung einer Straße, die nach Porto Cervo führte. Wie es dazu gekommen war, was dazu geführt hatte, wusste er nicht. Daran konnte er sich auch vier Tage später, als ihn die Polizei im Krankenhaus von Olbia befragte, nicht wirklich erinnern. Nur dass er einen Motorradfahrer wiedergesehen hatte, einen Deutschen, daran erinnerte er sich.
Während der Befragung saß Rosi an seinem Bett und hielt seine Hand. Nein, er träumte nicht, sie war es wirklich. Nach der Operation, noch halb in Narkose, hatte er von ihr geträumt. Sein Wunsch, auf den Amselhof und zu Rosi zurückzukehren, hatte ihn wie eine große Woge aus der Narkose emporgehoben, er war aufgewacht und Rosi saß tatsächlich neben ihm. Sie lächelte ihn wie früher an, und ihre Zuversicht überstrahlte die deutlichen Spuren von Tränen, die er in ihrem Gesicht mit den geröteten Augen erkannt hatte. Stand es so schlecht um ihn?, hatte er sich gefragt, die Frage jedoch gleich wieder fallen gelassen.
Rosi setzte durch, dass Franz zwei Tage darauf nach München geflogen wurde. Neben Prellungen und einem Oberschenkelbruch waren zwei Wirbel angebrochen, was zu einer Lähmung der Beine führte. Zurück in der Heimat, konnte ein Spezialist jedoch Hoffnung machen. Erst jetzt wurde Franz das Ausmaß seiner Verletzungen bewusst, Wut packte ihn, dann Verzweiflung, und schließlich setzte sich sein alter Kampfgeist durch: Er würde es schaffen.
Er sei wieder mit Rosi versöhnt, schrieb er Anton einige Monate nach dem Unfall, und er müsse jetzt erst einmal wieder Gehen lernen.
14.
Auch die Ameisen würden die Windungen der Korkeiche nur noch im Schneckentempo hinauf- und wieder hinunterschleichen, behauptete Anton und zog sich in den Schatten zurück. Selbst der kurze Weg hinunter zum Wasser schien ihm in der feuchten Hitze zu beschwerlich. Er döste vor sich hin und beobachtete durch halb geschlossene Lider Sissi unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse und wie sie hoffnungsvoll beide Hände in Schüsseln mit Eiswürfel steckte, als würde sie sich damit an ein Kühlsystem anschließen.
Moritz und Simon lungerten im Cabanon herum, wie die Franzosen ihre Unterkunft nannten, eine Mischung aus Hütte und Bungalow. Der Cabanon lag auf dem Plateau eines auslaufenden Hügels oberhalb seines felsigen Saums, der vom Mittelmeer umspült wurde. Heute jedoch war nicht das geringste Wellengeräusch zu hören, noch nicht einmal das leichte Glucksen und Schmatzen des Wassers, das man sonst auch bei Windstille hörte.
Das lebhafte Wetteifern von Moritz und Simon, mit dem sie sich sonst ihre Zeit vertrieben, unterblieb ebenfalls. Mit ihren inzwischen sechzehn Jahren langweilten sie sich im Paradies, wie Anton dieses abgelegene, noch wild anmutende Plätzchen an der französischen Küste nannte, an dem die Familie auch schon in den vergangenen Jahren ihren Sommerurlaub verbrachte.
»Gehen wir tauchen, unter Wasser ist es bestimmt kühler«, hörte Anton Simon zu Moritz sagen. Simon war leidenschaftlicher Taucher und hielt sich in diesen Ferien mehr unter als über dem Wasser auf. Moritz dagegen zeigte weniger Ausdauer und Begeisterung dafür, weshalb ihm Simon gleich auch noch vorschlug, mit dem Schlauchboot weit aufs Meer hinaus zu fahren.
»Erlaubst du es?«, rief Moritz daraufhin zu Anton hinüber.
Anton überlegte kurz, der Motor des Boots schien nicht ganz in Ordnung zu sein, in der
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