Goldmacher (German Edition)
wieder ein und fuhren weiter, aus der großen hellen Leere hinaus und wieder hinein in das Dunkel der engen Straßen, jetzt von Berlin-Mitte, wie Moritz wusste.
»Angekommen«, rief er schon bald aus und parkte, freie Parkplätze gab es mehr als genug in der Straße.
»Was siehst du?«, wollte er wissen, nachdem er ausgestiegen und mitten auf der Straße stehen geblieben war. Anton schaute verständnislos. Da breitete Moritz die Arme aus und öffnete die Hände, als würden gleich Taler vom Himmel fallen: »Siehst du noch immer nichts?«
Anton schaute die schlecht beleuchtete Straße mit ihren alten grauen Häusern, von denen der Putz abgefallen war, mit ihren größeren und kleineren Baulücken und ihren wenigen neueren Gebäuden hinauf und hinunter.
»Was soll es denn hier schon zu sehen geben?«, wollte er wissen.
»Die Zukunft natürlich!«, rief Moritz enthusiastisch und breitete wieder seine Arme aus, »du siehst lauter Zukunft um uns herum! Eine neue Stunde null! Meine Stunde null!«
Moritz legte einen Arm um die Schultern des verwunderten Vaters, er war einen Kopf größer als er, führte ihn ein Stück die Straße hinunter und begann, ihm seine Zukunft auszumalen, die er vor allem darin erblickte, durch den schnellen Aufbau eines Vertriebssystems die neuen Bundesländer mit Computern zu versorgen. Eine einmalige Chance würde sich ihm bieten. »Die neuen Medien werden die ganze Welt verändern! Wir sind erst am Anfang!«
Er öffnete mit Schwung die Tür zu einem Restaurant, »du erlaubst?«, fragte er und ging voraus. Anton folgte ihm und sie betraten eine Art Imbiss mit einem großen Pizzaofen, an den sich seitlich ein sehr großer Raum mit vielen Tischen anschloss.
Moritz blieb auf der Schwelle stehen und hielt Ausschau nach freien Plätzen. Durch die Größe und Einrichtung des Lokals fühlte sich Anton an eine Betriebskantine erinnert, es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit den von ihm so geschätzten Italiener-Stuben in Westberlin. Zudem war der Lärmpegel sehr hoch, denn so menschenleer die Straße draußen zu sein schien, so überfüllt war es hier drinnen.
»Eigentlich wollte ich mich mit dir unterhalten!«, rief Anton seinem Sohn ins Ohr.
»Ich mich auch mit dir«, rief er zurück, »wir kriegen einen Platz im Kabinett, da ist es leiser, ich bin hier fast zu Hause.«
Moritz hatte tatsächlich bereits Blickkontakt mit einer Frau aufgenommen, die ihm ein Zeichen gab. Er stellte sie Anton kurz darauf als die Wirtin vor, und sie folgten ihr in einen abgeteilten kleineren Raum mit wenigen Tischen. Das Kabinett sei für die Leute vom Theater am Rosa-Luxemburg-Platz reserviert, erklärte Moritz, aber die kämen erst später. Sie bestellten Pizza, Pasta und Rotwein und Moritz setzte die Unterhaltung fort.
»Eine neue Zeit bricht an«, dozierte er, »nicht nur für die Deutschen, ich meine für uns Deutsche, wenn auch für uns in besonderer Weise, denn endlich können wir Europäer werden!«, behauptete er, »Berlin wird zur Hauptstadt von ganz Europa werden, die Drehscheibe zwischen Ost und West«, malte er die Zukunft aus, »Demokratie für alle, Vater, dein Traum wird wahr!«
Er schenkte den Rotwein aus einer Karaffe in die Gläser und fuhr dabei fort: »Alle werden reisen und in Länder rund um die Welt fliegen können! Eines Tages auch die Chinesen. Die Leute im Osten wünschen sich, was wir im Westen bereits haben. Früher oder später. Und das kann ihnen jetzt auch niemand mehr verbieten.«
»Die natürlichen Ressourcen dürften dafür kaum ausreichen«, warf Anton ein.
»Die Ressourcen? Der alte Goethe und sein Zauberlehrling haben ausgedient, Vater. Heute regieren echte Zauberer aus Wissenschaft und Technik. Heute reimt sich denken und lenken. Wir beherrschen die Geister, die wir gerufen haben, und sie werden völlig neue Dimensionen von Geschwindigkeit und Leichtigkeit erschließen. Früher hieß es Zeit ist Geld, morgen wird es heißen, Zeit ist Gold. « Moritz hob sein Glas.
Erst war Anton nur enttäuscht, weil Moritz nicht das geringste Interesse am Blatt zeigte und seine Zukunft im Vertrieb von Computern und neuer Technologie sah. Er hatte sein Studium der Kommunikationswissenschaften bisher nicht technologisch, sondern medial verstanden.
»Aber das ist doch alles Brimbamborium!«, platzte es schließlich aus ihm heraus.
»Brimbamborium? Hört sich lustig an«, Moritz lachte unbekümmert, »was ist Brimbamborium?«
»Ungedeckte Wechsel auf die Zukunft, moderne
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