Goldmacher (German Edition)
glauben wollen, weil kein Mensch so etwas glauben konnte: Die Juden wären das Böse, das diese Welt vergifte, und die Zeit sei gekommen, mit den Juden das Böse auszurotten.
»Ihr müsst sterben und ihr werdet sterben, wir werden euch alle umbringen, das ist der Plan«, hatte Lowicki ihm dann noch einmal, bevor er von der Gestapo abgeholt worden war, eingeschärft, »wir Arier sind auserwählt, diesen Plan, den totalen Krieg gegen die Juden, zu erfüllen«, hatte er noch gesagt, und das schien seinen Hass zu beruhigen, er hatte ihn mit seinem letzten Blick ohne jeden Ausdruck angesehen.
Seitdem war Friedrich vielen Lowickis begegnet und hatte erfahren, dass sie, diese Lowickis, von denen es Tausende gab, nicht nur jeden Juden umbrachten, sondern jeden, der nicht in ihr System passte.
Keine Arbeit und auch nicht das Fälschen von zehn oder zwanzig oder dreißig Millionen englische Pfund würden ihn, der von Natur aus das Böse war, freikaufen können.
Friedrich machte sich im Labor an die Arbeit und bereit für den Kampf mit seinem Feind, dem Lebenswillen. In einem lange vorbereiteten Moment kurzer Entschlossenheit mischte er zwei Säuren und stürzte das Gemisch hinunter, bevor ihn der SS -Mann, unter dessen Bewachung er stand, zu Boden warf. Er fiel so unglücklich, dass er sich das Genick brach. Und so starb er nicht langsam und qualvoll, worauf er sich vorbereitet hatte, er war sogleich tot.
8.
»Besser, ich bewahre deinen Roman hier bei mir im Schreibtisch auf.« Johann legte Antons Notizheft in das abschließbare Schubfach und dachte darüber nach, wie er seinem Sohn zu seinem Talent beglückwünschen könne. Doch dann zögerte er, nein, es wäre besser, wenn er seinen Sohn nicht lobte, entschied er sich, das Lob könnte ihn übermütig machen und ihn gefährden.
Anton erklärte unterdessen, dass er doch keinen Roman geschrieben habe, sondern einen Bericht. Er erwartete gespannt die Meinung seines Vaters.
Johann drehte den Schlüssel mehrfach umständlich im Schloss herum, zog ihn ab und steckte ihn in seine Hosentasche. Später würde er Antons Aufzeichnungen in einem Geheimfach hinter dem Rollladen verschließen, es ihm jedoch verschweigen.
»Das mit dem Brimbamborium bleibt aber unter uns«, meinte Johann schließlich und schaute seinen Sohn nun streng an. »Sprich nicht darüber, schreib lieber alles auf und gib es mir, nein, besser noch, du schreibst nichts auf, behältst alles im Kopf und legst dir dort ein kleines Archiv an, auf das du später zurückgreifen kannst. Sammle Material, bis der Spuk vorbei ist. Wir müssen vorsichtig sein, auch du musst aufpassen, was du sagst. Oder schreibst.«
Anton sah den Vater enttäuscht an. Er wollte nicht irgendwann einmal mit ihm über alles reden, er wollte jetzt vom Vater wissen, ob sein Bericht mit den Tatsachen übereinstimmte. Hatte er sie richtig wiedergegeben und nur sie, oder hatte er etwas hinzuerfunden? Das wäre ein wichtiger Hinweis für ihn, ein entscheidender: War es ihm gelungen, seinem Vorbild aus dem Griechischunterricht, dem großen Thukydides, nachzueifern?
»Thukydides«, begann Anton, dann verstummte er wieder. Wie sollte er dem Vater den großen Thukydides erklären? Erschien er ihm denn nicht selber als einer jener fernen, auf die Erde hinabgestiegenen griechischen Götter? Aber trotz aller Ferne fühlte er sich ihm verbunden. Sein Werk, der gewaltige Bericht über den Peloponnesischen Krieg, beflügelte ihn, wozu es ihn schon seit Langem drängte, nämlich die Wege zur Wahrheit aufzuzeigen.
Das wenige, was die Klasse im Griechischunterricht von diesem gewaltigen Bericht übersetzt hatte, beruhte auf Tatsachenmaterial, zusammengetragen und aufgeschrieben hatte es der große Thukydides vor weit über zweitausend Jahren, was Anton außerordentlich beeindruckte. Er hatte daraufhin seinen Lehrer gedrängt, den Bericht ausleihen zu dürfen, und in jeder freien Stunde im Lesesaal der kleinen Schulbibliothek studiert, wie aus Zeit- und Augenzeugenberichten, aus den Reden der Politiker und Heerführer und aus authentischen Dokumenten die Wahrheit über den verheerenden, das alte Griechenland vernichtenden Krieg entstand, und er hatte beschlossen, diesem Chronisten nachzueifern.
Er war den Spuren, die zum Goldmacher und zur Goldmacherei führten, gefolgt, hatte als Zeugen Vater und Mutter und die Schwestern befragt, Kontakt zur Druckerei Willinger aufgenommen und schließlich die wenn auch noch unfertige kleine Chronik verfasst, die nun
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