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Goldmacher (German Edition)

Goldmacher (German Edition)

Titel: Goldmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Stelly
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darauf, den er nicht kannte, und eine Adresse, die ihm auch nicht geläufig war, aber ein Gruß immerhin, der vertraulich klang: Dein alter Kamerad Hans-Ulrich Hacker.
    Die Vertraulichkeit machte Anton neugierig, kurze Zeit darauf setzte er sich nach der Arbeit auf sein Fahrrad, prägte sich zuvor die Strecke anhand eines alten Stadtplans ein, den er immer bei sich trug. Mühsam blieb die Tour trotzdem, so wie jede Ausfahrt, wenn er die vertrauten Wege verließ. Viele Straßenschilder lagen noch unter Schuttbergen begraben, andere waren unleserlich. Doch es war Mitte Juni und die Tage warm und lang, er würde vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein.
    Er radelte durch das fast vollständig zerstörte Zentrum der Stadt, bis er in einen Stadtteil kam, in dem die Zerstörung nicht ganz so groß war. Von dort aus fand er mithilfe des alten Stadtplans schnell die auf dem Zettel angegebene Straße und auch das gesuchte Haus. Es war Teil einer altdeutsch anmutenden Siedlung, wie sie im Nationalsozialismus für Werksangehörige oder Beamte im öffentlichen Dienst gebaut worden war. An der Haustür fand er auf einem blank polierten Messingschild den Namen Hacker eingraviert, darüber stand auf einem Pappschild und mit Bleistift geschrieben Hans-Ulrich.
    Anton drückte den Klingelknopf. Nichts regte sich. Er drückte ihn noch einmal, dieses Mal gleich zweimal hintereinander. Daraufhin hörte er Schritte, die Tür wurde geöffnet, und er stand einem großen, rötlich blonden, etwa gleichaltrigen schlaksigen jungen Mann mit Sommersprossen gegenüber. Anton schaute neugierig, während sich im Gesicht seines Gegenübers ein amüsiert spöttischer Zug um den Mund bildete.
    »Erkennst mich nicht«, stellte der Rotblonde schließlich fest und lehnte sich an den Türrahmen, zog an einer Kippe, die er zwischen zwei Fingern hielt, und blies genüsslich den Rauch in die Luft.
    »Nein.«
    Es entstand eine Pause und beide schauten einen Augenblick lang hinauf in den blauen Himmel.
    »Stell’s in den Flur«, sagte der Rotblonde, zeigte auf Antons Fahrrad und ging voraus.
    Das Zimmer lag am Ende des dunklen Flurs. Es war klein, auch eher dunkel und wurde von einem schmalbrüstigen Schrank und einer Art Matratzenlager fast vollständig ausgefüllt. Das Lager schien Bett, Tisch und Sitzplatz in einem zu sein, denn es lag Bettzeug darauf herum, und am Rand stand ein Karton mit Lebensmitteln und Geschirr, auch einer mit Heften und Büchern.
    Der Rotblonde ließ sich auf dem Lager nieder, Anton bot er ein Stück freier Fläche ihm gegenüber an.
    »Nimm doch Platz«, sagte er und versuchte mit einem amüsiert spöttischen Zug um den Mund eine einladende Geste.
    Anton setzte sich auf das Matratzenlager und beobachtete sein Gegenüber, er forschte nach Bekanntem in seinen Bewegungen, in seinem Verhalten.
    »Mein Name hat sich ’n bisschen verändert«, sagte der Rotblonde und zündete sich einen neuen Zigarettenstummel an. Nach drei gierig und tief inhalierten Zügen hielt er ihn Anton hin.
    »Mal ziehen?«
    »Ich rauche nicht«, sagte Anton.
    »Ich war ein echter«, sagte der Rotblonde, beugte sich vor und sah Anton prüfend ins Gesicht.
    »Hast dich nicht wirklich verändert«, er lehnte sich wieder zurück und schwieg. Anton wartete.
    »War natürlich ein Scherz«, meinte er nach einer Weile und lachte, es hörte sich an wie das Meckern eines Ziegenbocks, was Anton daran erinnerte, dass er dieses Gemeckere schon mal gehört hatte. Er suchte in seiner Erinnerung, es wollte ihm jedoch kein Gesicht dazu einfallen.
    »Trotzdem«, begann der Rotblonde, »es ist eine Oberschande und eine wirkliche Sauerei, dass sie uns total zerbombt haben. Schon entlaust?«, fragte er dann und sah Anton erwartungsvoll an.
    »Entlaust?«
    »Ent-na-zi-fi-ziert«, buchstabierte sein Gegenüber.
    Anton schüttelte den Kopf.
    »War nicht nötig.«
    »Dachte ich mir. Du warst kein echter, aber auch kein falscher Fuffziger, das hat mir damals imponiert. Bist also zwischenzeitlich auch kein echter geworden. Aber auch kein Widerständler. Sonst wärst du nicht hier. Hab damals gedacht, du könntest einer sein. Oder werden. Bist aber wahrscheinlich zu schlau gewesen.«
    Der Rotblonde tippte sich an die Stirn.
    »Insgeheim haben wir dich bewundert«, fuhr er nach einer Pause fort, »ist dir der Münzer noch mal über ’n Weg gelaufen? Der erinnert sich bestimmt an dich. Wenn er die ganze Sauerei überlebt hat. Weißt du jetzt, wer ich bin? Mensch, ich bin einer von

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