Goldmacher (German Edition)
den ehemaligen HJ lern vom Ernteeinsatz beim Bauer Buck. Ich war der kleine Dicke, damals Hans Müller, jetzt Hans-Ulrich Hacker!«
Er streckte Anton spontan die Hand hin und Anton schlug einigermaßen verdutzt ein.
»Hans Müller?«, rief er ungläubig.
Der nickte grinsend.
»Du hast uns alle schwer beeindruckt, wie du dem Münzer den Kopf in den Bauch gerammt hast! Vergessen?«, wollte er dann wissen.
Anton hatte den Kampf um »Moby Dick« keineswegs vergessen, doch im hageren sommersprossigen Gesicht seines Gegenübers mit dem etwas schiefen Mund, in dieser großen schlaksigen Erscheinung mit den leicht hochgezogenen Schultern konnte er einfach nicht Hans Müller, den kleinen dicklichen HJ ler von damals, den Adjutanten von Franz Münzer erkennen.
»Du hast dich ja total verändert«, platzte es aus Anton heraus.
Hans-Ulrich zuckte mit den Schultern und zog an dem Zigarettenstummel.
»Bist du«, Anton zögerte einen Moment, »bist du entlaust worden?«
»Nee«, Hans-Ulrich stieß verächtlich den Rauch aus und schaute ihm hinterher.
»Das war auch wirklich nicht mehr nötig, nach all dem Schweinkram, verstehst du?«
Er sah Anton wieder prüfend an, ein spöttischer Zug bildete sich um seinen Mund.
»Glaubst mir nicht, was? Wegen dem Namen? Der ist ganz legal, Mutter hat den Hacker geheiratet. Hat ihr nichts genützt. Sie ist tot. Sie sind beide tot. Umgekommen beim Bombenangriff. Der Hacker hatte mich adoptiert. Hans-Ulrich Hacker klingt einfach besser als Hans Hacker, moderner, finde ich. Und wir haben doch jetzt die große Gelegenheit, modern zu werden, oder? Wenn nicht wir, wer dann?«
Anton sah Hans-Ulrich Hacker, ehemals Hans Müller, immer noch ungläubig an.
»Ich hab keinen Dreck am Stecken, das kannste mir glauben«, versicherte ihm Hans-Ulrich, »aber über den Krieg rede ich trotzdem nicht«, seine Miene wurde düster und hellte sich dann schlagartig wieder auf: »Was machst ’n beim Tommy?«, fragte er neugierig. Anton erklärte es etwas umständlich.
»Wie ist der Zettel in meine Jackentasche gekommen?«, wollte er dann wissen, er hielt ihn noch immer in der Hand.
»Hab ich da reingesteckt, haste nicht bemerkt, warst ziemlich weggetreten. Hab dich schon öfter gesehen. Du mich nicht. Dachte schon, du willst nichts mit mir zu tun haben, deshalb der Zettel«, Hans-Ulrich drückte die Zigarettenkippe aufmerksam in einem Aschenbecher aus, jeder unverkohlte Tabakkrümel war kostbar und musste gerettet werden.
»Ich weiß nicht, wie du das siehst«, fuhr er fort, »aber man muss doch zusammenhalten, irgendwie.«
Er beugte sich vor: »Könnte dir was vom Tommy besorgen, ich arbeite als Tellerwäscher in der Kantine. Könnte dir langfristig bestimmt ’ne Menge aus der Kantine besorgen.«
»Gegenleistung?«
Hans-Ulrich grinste. »Was schlägst du denn vor?« Er lehnte sich wieder zurück und musterte Anton. »Ein Schiebertyp bist du nicht. Wirst aber trotzdem bald was haben. Wirst einer der Ersten sein, das riech ich von Weitem. Und dann komm ich angelaufen wie ’n Hund und leg mich vor deine Füße und krieg einen schönen großen Knochen von dir.« Hans-Ulrich kratzte mit der Hand wie ein Hund mit der Pfote über die Matratze. »Also, was brauchst du denn so aus der Kantine?«
»Im Moment noch nichts«, Anton begegnete Hans-Ulrichs gespieltem Hundeblick.
»Keine Marmelade, kein Corned Beef, keinen Toast, keine Karamellbonbons? Oder was das Herz sonst noch so begehrt?« Hans-Ulrich setzte sich in die Hocke, als wäre er auf dem Sprung, bereit, sofort für Anton die Kantinenbestände zu plündern, wenn er es nur wollte.
Anton konnte nicht verhindern, sich von Hans-Ulrich Hacker geschmeichelt zu fühlen und auch beeindruckt von ihm zu sein, er dachte auf dem Rückweg über sein verführerisches Angebot nach, über Toast, Corned Beef und Karamellbonbons und passte dabei für einen Augenblick nicht auf, was dazu führte, dass er an einer durch Trümmerhalden unübersichtlichen Straßenkreuzung fast mit einem Mädchen zusammenstieß. Es kreuzte seinen Weg mit dem Fahrrad, bremste heftig, doch die Fahrradkette hielt der plötzlichen Belastung nicht stand und riss. Anton gelang es auszuweichen, aber das Mädchen stürzte trotzdem.
Einigermaßen erschrocken half er ihm aufzustehen. Eine Schürfwunde unterhalb seines Knies begann sofort heftig zu bluten, es schien sich aber nichts gebrochen zu haben.
Nachdem es sein Knie mit einem Taschentuch verbunden hatte, half er ihm, das Fahrrad wieder
Weitere Kostenlose Bücher